Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat sich erneut mit der urheberrechtlichen
Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen zu befasst.

Die
Klägerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz überwiegend in der
Weise vertreibt, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern
die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Computer
herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist bestimmt, dass
das Nutzungsrecht, das die Klägerin ihren Kunden an den
Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist.

Die Beklagte
handelt mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie
„bereits benutzte“ Lizenzen für Programme der Klägerin an. Dabei verwies
sie auf ein Notartestat, in dem auf eine Bestätigung des ursprünglichen
Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmäßiger Inhaber der
Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis
vollständig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb
einer „gebrauchten“ Lizenz die entsprechende Software von der
Internetseite der Klägerin auf einen Datenträger herunter.

Die
Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die
Erwerber „gebrauchter“ Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden
Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen
Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch
genommen.

Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage
stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof
das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union
einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den
Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Nachdem der Europäische Gerichtshof diese Fragen beantwortet hat, hat
der Bundesgerichtshof nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kunden der Beklagten
greifen durch das Herunterladen der Computerprogramme – so der
Bundesgerichtshof – in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem
Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der
Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot
„gebrauchter“ Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, kann sie auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur
Vervielfältigung der Programme berechtigt sind. Die Kunden der Beklagten
können sich allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1
UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche
Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Nach Art. 5
Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines
Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – nicht der
Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße
Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber
notwendig ist.

Aus der Entscheidung des Europäische Gerichtshof
geht – so der Bundesgerichtshof weiter – hervor, dass der Erwerber einer
„gebrauchten“ Softwarelizenz als „rechtmäßiger Erwerber“ einer
Programmkopie anzusehen ist, der von dem Vervielfältigungsrecht Gebrauch
machen darf, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie nach Art.
4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist und der Weiterverkauf
der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der
Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie
verbunden ist. Dabei setzt ein Weiterverkauf der von der Internetseite
des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie nicht voraus,
dass die Beklagte ihren Kunden einen Datenträger mit einer „erschöpften“
Kopie des Computerprogramms übergibt. Vielmehr kann ein solcher
Weiterverkauf auch dann vorliegen, wenn der Kunde die ihm von der
Beklagten verkaufte Kopie des Computerprogramms von der Internetseite
des Urheberrechtsinhabers auf seinen Computer herunterlädt.

Die
Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers ist nach
der Entscheidung des Europäische Gerichtshof allerdings von einer Reihe
von Voraussetzungen abhängig. Dazu gehört unter anderem, dass der
Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber das Recht eingeräumt hat, diese
Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Ferner kann sich der
Nacherwerber einer Kopie des Computerprogramms nur dann mit Erfolg auf
eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn
der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat. Der
Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen,
damit dieses nach entsprechendem Vortrag der Parteien prüfen kann, ob
diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II

LG München I – Urteil vom 15. März 2007 – 7 O 7061/06,

ZUM 2007, 409 = CR 2007, 356

OLG München – Urteil vom 3. Juli 2008 – 6 U 2759/07,

ZUM 2009, 70 = CR 2008, 551

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 – I ZR 129/08,

GRUR 2011, 418 = WRP 2011, 480 – UsedSoft I

EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012 – C-128/11,

GRUR 2012, 904 = WRP 2012, 1074 – UsedSoft/Oracle

Karlsruhe, den 18. Juli 2013

Nr. 126/2013 vom 18.07.2013
 

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle