Urheberrechtlichen Schutz einer literarischer Figuren

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre
Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im
Januar 2010 die Fotografien eines etwa fünfjährigen Mädchens und einer
jungen Frau, die als Pippi Langstrumpf verkleidet waren. Sowohl das
Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden
Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem
Ringelmuster.

Die Fotografien waren bundesweit in
Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten
sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der
Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen
Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000
Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt,
Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen
Schaffen von Astrid Lindgren zu sein, ist der Auffassung, die Beklagte
habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der
literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletzt. Diese genieße für sich
genommen urheberrechtlichen Schutz. Die Beklagte habe sich in den
verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt. Aus diesem Grund stehe
ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von
50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos
geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe der Klägerin der
geltend gemachte Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Die Figur „Pippi
Langstrumpf“ genieße Urheberrechtsschutz als Sprachwerk im Sinne des § 2
Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Sie sei eine einmalige Figur, die sich aufgrund
ihrer Wesenszüge und ihrer äußeren Merkmale von den bis dahin bekannten
Figuren deutlich abhebe. Die von der Beklagten verwendeten Abbildungen
zur Bewerbung der Kostüme seien im Sinne des § 23 UrhG unfreie
Bearbeitungen der Figur „Pippi Langstrumpf“, weil bei der vorzunehmenden
Gesamtbetrachtung die eigenschöpferischen Züge der „Pippi Langstrumpf“
darin deutlich sichtbar seien und es sich nicht um eine neues und
eigenständiges Werke handele. Dies sei Voraussetzung einer freien
Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG. Mit der von Berufungsgericht
zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt,
verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Auf
die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das
Berufungsgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf
Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf hilfsweise
geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Ansprüche, über die das
Berufungsgericht noch nicht befunden hatte, hat der Bundesgerichtshof
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die
von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi
Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven
Charakters ist es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination
von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen
eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies ist bei der Figur
der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fallen aus
dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen
geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer
kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter
eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu
große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz
schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets
fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und
Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt
über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es im Streitfall an
einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkennt der Betrachter, dass
es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi
Langstrumpf handeln soll. Das ändert aber nichts daran, dass diese in
der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für
den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi
Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als
Sprachwerk kommt in Betracht, wenn diese Figur durch eine
unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften,
Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das
Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt,
dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich
genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Figuren in
den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form,
die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi
Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um
Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es
sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber
nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu
begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der
literarischen Figur teil.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi Langstrumpf

LG Köln – Urteil vom 10. August 2011 – 28 O 117/11 (ZUM 2011, 871)

OLG Köln – Urteil vom 24. Februar 2012 – 6 U 176/11 (ZUM-RD 2012, 256)

Karlsruhe, den 18. Juli 2013

§ 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1.Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; …

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 23 UrhG

Bearbeitungen
oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des
Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder
verwertet werden. …

§ 24 Abs. 1 UrhG

Ein selbständiges
Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden
ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes
veröffentlicht und verwertet werden.

Nr. 127/2013 vom 18.07.2013

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle