Zu Instandhaltungs- und Schadensersatzpflichten der Wohnungseigentümer
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer die Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, sofern diese zwingend erforderlich ist und sofort erfolgen muss; unter dieser Voraussetzung ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum. Verzögern die übrigen Wohnungseigentümer die Beschlussfassung über eine solche Maßnahme schuldhaft, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.In dem zugrunde liegenden Verfahren bestand die Wohnungseigentümergemeinschaft zunächst aus zwei Einheiten im Erd- und Dachgeschoss eines Hauses. Der Rechtsvorgänger der Klägerin baute seine Kellerräume nachträglich aus. Sie bilden seit einer Teilungserklärung aus dem Jahre 1996 eine dritte Sondereigentumseinheit. Sämtliche Wohneinheiten wurden später veräußert. Die Beklagten sind die jetzigen Eigentümer der Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Die Klägerin erwarb die im Keller gelegene Wohnung im Jahr 2002 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung zu einem Kaufpreis von 85.000 €. Diese weist seit dem Jahr 2008 einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind in erster Linie Planungsfehler bei dem Umbau der Keller- in Wohnräume und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.
Das Amtsgericht hat die Beklagten – dem Antrag der Klägerin entsprechend – verurteilt, der anteiligen Aufbringung der Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung durch die Wohnungseigentümer und (zu diesem Zweck) der Bildung einer Sonderumlage von rund 54.500 € zuzustimmen sowie Schadensersatz aufgrund der verzögerten Renovierung der Kellergeschosswohnung zu zahlen. Ferner hat es die Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden der Klägerin festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen; es war der Ansicht, die Kostenbelastung überschreite die „Opfergrenze“ der betagten und finanzschwachen Beklagten, deren Wohneinheiten auch ohne die begehrte Sanierung nutzbar seien. Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben.
Er hat entschieden, dass die Klägerin sowohl die Zustimmung zu der anteiligen Kostentragung als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen kann. Jeder Wohnungseigentümer kann die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Allerdings haben die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen. Anders liegt es aber dann, wenn – wie hier – die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist. Denn infolge der sanierungsbedürftigen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum ist die Wohnung der Klägerin unbewohnbar. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer ist in solchen Fallkonstellationen kein Raum. Dies liefe der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider. Zudem müsste die Klägerin die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl sie es dauerhaft nicht nutzen könnte. Die Wohnungseigentümer müssen anteilig für die Sanierungskosten aufkommen, selbst wenn sie in erster Linie der Kellergeschosswohnung zugutekommt.
Im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche hat der V. Zivilsenat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Entschieden hat er aber, dass eine Ersatzpflicht der Wohnungseigentümer für solche Schäden an dem Sondereigentum in Betracht kommt, die dadurch entstehen, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterbleibt. Eine Haftung kann diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.
Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14
AG Andernach – Urteil vom 28. November 2012 – 60 C 598/10 WEG
LG Koblenz – Urteil vom 16. Dezember 2013 – 2 S 74/12
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Nr. 146/2014 vom 17.10.2014
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle