Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern

Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in zwei weiteren Verfahren damit beschäftigt, ob eine beratende Bank im Zusammenhang mit der Empfehlung von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (Emittentin) der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. (Garantin) zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Im Mittelpunkt der Entscheidungen stand die Frage, ob eine beratende Bank beim Vertrieb von „Garantiezertifikaten“ über Sonderkündigungsrechte der Emittentin ungefragt aufzuklären hat. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Aufklärungspflicht bejaht.

Im Verfahren XI ZR 480/13 erwarb der Kläger im November 2007 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank 40 Stück des „Lehman Brothers Garantiezertifikats auf fünf Bankentitel“ zum Nennwert von 39.328 €. Im Mai 2008 erwarb er auf Empfehlung desselben Mitarbeiters weitere 100 Stück Lehman-Zertifikate „LB 6 Jahres CatchUp Note auf sechs DAX-Werte“ zum Nennwert von 100.000 €.

Im Verfahren XI ZR 169/13 erwarb der Kläger im Mai 2008 auf Empfehlung eines Mitarbeiters derselben beklagten Bank „Lehman Brothers Aktien Kupon Anleihen auf sechs DAX Werte“, d. h. sogenannte Basketzertifikate, zum Kurswert von 33.099 €. In dem zugehörigen Produktflyer heißt es u.a. „100% Kapitalschutz am Laufzeitende“.

Den Zertifikaten lagen die Anleihebedingungen der Emittentin zum Basisprospekt vom 28. August 2007 zu Grunde. Danach sollte die Emittentin am Laufzeitende unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte mindestens 100% des eingezahlten Kapitals an den Anleger zurückzahlen. In den Anleihebedingungen wird der Emittentin ein Sonderkündigungsrecht aus Gründen eines Fusionsereignisses, eines Übernahmeangebots, eines Delistings, einer Verstaatlichung, einer Insolvenz der in den Zertifikaten in Bezug genommenen Unternehmen oder wegen einer durchgeführten oder geplanten Veränderung steuerrechtlicher Vorschriften eingeräumt. In diesen Fällen erhält der Anleger einen Rückzahlungsbetrag, der von einer Berechnungsstelle ausgehend von dem marktgerechten Wert der Zertifikate abzüglich angemessener Aufwendungen und Kosten berechnet wird. Dabei wird in den Anleihebedingungen ausgeführt, dass der vorzeitige Rückzahlungsbetrag möglicherweise unter dem Nennbetrag liegen oder sogar Null betragen könne. Auf das Sonderkündigungsrecht der Emittentin und dessen Rechtsfolgen wurden die Kläger von der Beklagten nicht hingewiesen. Die Anleihebedingungen wurden ihnen ebenfalls nicht übergeben.

Nach der Insolvenz der Emittentin im September 2008 wurden die Zertifikate weitgehend wertlos. Im Verfahren XI ZR 480/13 verlangt der Kläger Rückzahlung des Anlagebetrages abzüglich erhaltener Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren in Höhe von 98.709,64 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zertifikate in Verzug befindet. Die Klage hatte in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg.

Der Kläger im Verfahren XI ZR 169/13 begehrt die Rückzahlung des investierten Kapitals in Höhe von 33.099 € sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte lediglich zur Zahlung von 27.472,17 € Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate und der Ansprüche des Klägers im Insolvenzverfahren der Emittentin verpflichtet ist. Die weitergehende Klage hat es mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB*) verstoßen habe, weil er es unterlassen habe, seine Forderungen im Insolvenzverfahren der Garantin mit der Aussicht auf den Erhalt einer Vergütung von 17% seiner Forderung rechtzeitig anzumelden.

Die Revisionen der beklagten Bank sind in beiden Verfahren erfolglos geblieben. Gleiches gilt für die im Verfahren XI ZR 169/13 erhobene Anschlussrevision des Klägers.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs haben die Berufungsgerichte in beiden Rechtsstreiten zu Recht eine schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem geschlossenen Anlageberatungsvertrag bejaht und damit die beklagte Bank rechtsfehlerfrei zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (§ 280 Abs. 1 BGB**). Die Empfehlung der Zertifikate war in beiden Verfahren nicht anlagegerecht. Bei den Zertifikaten handelte es sich um Inhaberschuldverschreibungen mit einem zugesicherten Kapitalschutz. Bei solchen „Garantie-Zertifikaten“ muss eine beratende Bank die Anleger über das in den jeweiligen Anleihebedingungen geregelte Sonderkündigungsrecht der Emittentin, das zu einem Totalverlust des Kapitals führen kann, ungefragt aufklären. Denn ein Sonderkündigungsrecht stellt einen für die Anlageentscheidung wesentlichen und damit aufklärungsbedürftigen Umstand dar. Wesentliches Merkmal eines Garantiezertifikats mit 100%igem Kapitalschutz ist, dass sich das Risiko des Anlegers darauf beschränkt, mit dem Anlagebetrag während der Anlagezeit möglicherweise keine Gewinne zu erwirtschaften oder dass die Emittentin insolvent wird. Dem steht ein Sonderkündigungsrecht diametral entgegen, bei dem der von der Berechnungsstelle nach billigem Ermessen festzulegende Marktwert den Anlagebetrag unterschreiten oder sogar Null betragen kann.

Im Verfahren XI ZR 169/13 hat das Berufungsgericht den geltend gemachten Schadensersatz des Klägers nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch rechtsfehlerfrei um 17% gekürzt. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Schadensminderungspflicht nicht überspannt, denn nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB trifft einen Anleger die Obliegenheit, den Schaden durch Maßnahmen, die nach Lage der Sache erforderlich scheinen und zumutbar sind, möglichst gering zu halten. Verstößt er – wie hier – gegen diese Obliegenheit, weil er seine Ansprüche im Insolvenzverfahren gegen die Garantin nicht anmeldet, muss er eine Kürzung seines Schadensersatzanspruches in Höhe des Betrages in Kauf nehmen, den er im Insolvenzverfahren hätte erlangen können (§ 287 Abs. 1 ZPO***).

Urteile vom 25. November 2014

XI ZR 169/13

LG Hamburg – Urteil vom 18. November 2010 – 334 O 95/09

Oberlandesgericht Hamburg – Urteil vom 11. April 2013 – 6 U 235/10

und

XI ZR 480/13

LG Hamburg – Urteil vom 27. Januar 2012 – 330 O 476/10

Hanseatisches OLG – Urteil vom 4. Dezember 2013 – 13 U 18/12

Karlsruhe, den 25. November 2014

* § 254 BGB

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. …

** § 280 BGB

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2)…

*** § 287 ZPO

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. …

(2) …

Nr. 173/2014 vom 25.11.2014
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Reisebüros müssen Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter aus der EU nachweisen

Reisebüros müssen Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter aus der EU nachweisen

Der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat hat heute über die Pflicht eines Reisevermittlers zum Nachweis einer für den Insolvenzfall des Reiseveranstalters geltenden Kundengeldabsicherung entschieden, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat.

Die Kläger buchten im Oktober 2011 über die Beklagte, die als Internet-Reisebüro tätig ist, bei einem niederländischen Reiseveranstalter eine viertägige Flusskreuzfahrt. Nach Erhalt der Rechnung und Reisebestätigung zahlten die Kläger den auf sie entfallenden Reisepreis an die Beklagte. Den Klägern wurde ein als Sicherungsschein bezeichnetes Dokument eines niederländischen Kundengeldabsicherers in Kopie vorgelegt. Weiterhin hatte sich die Beklagte bei dem Reiseveranstalter über das Bestehen einer Kundengeldabsicherung erkundigt. Wegen finanzieller Schwierigkeiten des niederländischen Reiseveranstalters fand die Kreuzfahrt nicht statt. Der Reiseveranstalter, der später Insolvenz anmeldete, zahlte den Reisepreis nicht zurück. Der niederländische Kundengeldabsicherer lehnte eine Erstattung des Reisepreises mit der Begründung ab, dass seine Haftung auf die auf dem niederländischen Markt angebotenen und abgeschlossenen Reisen beschränkt sei, wozu die Reise der Kläger nicht zähle.

Das Amtsgericht hat der auf Rückzahlung des Reisepreises gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte sich die Beklagte vor Forderung oder Annahme des Reisepreises vergewissern müssen, dass den Klägern eine zweifelsfrei bestehende Absicherung des von ihnen gezahlten Reisepreises positiv nachgewiesen ist. Das Wissen um die Existenz eines Sicherungsscheins ersetze nicht die Prüfung seiner räumlich uneingeschränkten Geltung.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.

Gemäß § 651k Abs. 4 iVm Abs. 5 Satz 2 BGB* hat ein Reisevermittler wie die Beklagte auch hinsichtlich eines im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter das Bestehen einer für den Insolvenzfall greifenden Kundengeldabsicherung nachzuweisen, bevor er den Reisepreis entgegen nimmt. Der Reisevermittler muss in diesem Fall zwar keinen Sicherungsschein vorlegen, wie er von inländischen Reiseveranstaltern gefordert wird. Gleichwohl muss sich der Nachweis für einen im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter auf die konkreten Reisenden und die von ihnen gebuchten Reise beziehen. Die Wiedergabe einer dahingehenden Erklärung des Reiseveranstalters reicht dafür nicht aus. Diese Anforderungen hat die Beklagte im Streitfall nicht erfüllt.

X ZR 105/13

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 27. November 2011 – 30 C 1638/12 (71)

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 25. Juli 2013 – 24 S 1/13

und

X ZR 106/13

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 27. November 2012 – 30 C 1637/12 (71) –

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 25. Juli 2013 – 2-24 S 3/13 –

Karlsruhe, den 25. November 2014

* § 651k BGB – Sicherstellung, Zahlung

(4) Reiseveranstalter und Reisevermittler dürfen Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde. Ein Reisevermittler gilt als vom Reiseveranstalter zur Annahme von Zahlungen auf den Reisepreis ermächtigt, wenn er einen Sicherungsschein übergibt oder sonstige dem Reiseveranstalter zuzurechnende Umstände ergeben, dass er von diesem damit betraut ist, Reiseverträge für ihn zu vermitteln. Dies gilt nicht, wenn die Annahme von Zahlungen durch den Reisevermittler in hervorgehobener Form gegenüber dem Reisenden ausgeschlossen ist.

(5) Hat im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Reiseveranstalter seine Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, so genügt der Reiseveranstalter seiner Verpflichtung nach Absatz 1 auch dann, wenn er dem Reisenden Sicherheit in Übereinstimmung mit den Vorschriften des anderen Staates leistet und dies den Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 entspricht. Absatz 4 gilt mit der Maßgabe, dass dem Reisenden die Sicherheitsleistung nachgewiesen werden muss.

Nr. 174/2014 vom 25.11.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Vertraglich vereinbarte Loyalitaetsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhaeltnissen unterliegen weiterhin nur eingeschraenkter Ueberpruefung durch die staatlichen Gerichte

Vertraglich vereinbarte Loyalitaetsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhaeltnissen unterliegen weiterhin nur eingeschraenkter Ueberpruefung durch die staatlichen Gerichte

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben, das die Kündigung eines Chefarztes im Krankenhaus eines katholischen Trägers nach dessen Wiederverheiratung für unwirksam erklärt hatte. In dieser Entscheidung bestätigt und konkretisiert der Senat seine bisherige Rechtsprechung (BVerfGE 70, 138 ff.). Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand eines Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich demzufolge allein nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben und dem konkreten Inhalt des Arbeitsvertrags. Die staatlichen Gerichte dürfen sich nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen, solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht. Erst auf einer zweiten Prüfungsstufe sind die Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer und deren durch das allgemeine Arbeitsrecht geschützte Interessen mit den kirchlichen Belangen und der korporativen Religionsfreiheit im Rahmen einer Gesamtabwägung zum Ausgleich zu bringen. Der Verfassungsbeschwerde des katholischen
Krankenhausträgers hat der Zweite Senat stattgegeben und das Verfahren an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen, da Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist kirchliche Trägerin eines katholischen Krankenhauses. Seit dem 1. Januar 2000 beschäftigt sie den Kläger des Ausgangsverfahrens als Chefarzt der Abteilung Innere Medizin, der zu diesem Zeitpunkt nach katholischem Ritus in erster Ehe verheiratet war. Ende 2005 trennten sich die Ehepartner. Zwischen 2006 und 2008 lebte der Kläger mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen; dies war dem damaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst 2006 bekannt. Anfang 2008 wurde die erste Ehe des Klägers nach staatlichem Recht geschieden. Im August 2008 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin standesamtlich. Hiervon erfuhr die Beschwerdeführerin im November 2008. In der Folgezeit fanden zwischen der Beschwerdeführerin
und dem Kläger mehrere Gespräche über die Auswirkungen seiner zweiten Heirat auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statt. Im März 2009 kündigte die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 2009.

Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 30. Juli 2009 stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Berufung und Revision der Beschwerdeführerin blieben im Ergebnis ohne Erfolg.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. a) Soweit sich die Schutzbereiche der Glaubensfreiheit und der inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung überlagern, geht Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft (sogenannte Schrankenspezialität). Bei der Anwendung des für „alle geltenden Gesetzes“ (vgl. Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV) durch die staatlichen Gerichte ist bei Ausgleich gegenläufiger Interessen aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem
Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.

b) Aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, 137 Abs. 1 WRV, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 2 GG folgt eine Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, die Grundlage des modernen, freiheitlichen Staates ist. Diese verwehrt es dem Staat, Glauben und Lehre einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten. Die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren. Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst, sondern alle ihr zugeordneten Institutionen,
Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen entsprechend ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen. Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher Organisationsformen bedient. Die Kirchen können die jedermann offen stehenden privatautonomen Gestaltungsformen nutzen, Dienstverhältnisse begründen und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Ganz überwiegend der Gewinnerzielung dienende Organisationen und Einrichtungen können das Privileg der Selbstbestimmung allerdings nicht in Anspruch nehmen, da bei ihnen der enge Konnex zum glaubensdefinierten Selbstverständnis aufgehoben ist.

c) Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Dieses beinhaltet neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen. Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der „Religionsausübung“ durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden. Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrages in Staat und Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken.

d) Zu dem „für alle geltenden Gesetz“ im Sinne des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, unter dessen Vorbehalt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse steht, zählen die Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes. Die in diesen Vorschriften enthaltenen Generalklauseln bedürfen der Ausfüllung im konkreten Einzelfall. Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen; andererseits darf dies nicht dazu führen, dass Schutzpflichten des Staates gegenüber den Arbeitnehmern (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Sicherheit des Rechtsverkehrs vernachlässigt werden.

2. a) Die staatlichen Gerichte haben auf einer ersten Prüfungsstufe zunächst im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt. Dabei dürfen sie die Eigenart des kirchlichen Dienstes – das kirchliche Proprium – nicht außer Acht lassen. Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich alleine nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben. Die staatlichen Gerichte dürfen sich nicht über sie hinwegsetzen, solange sie nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen
Gewährleistungen stehen. Im Rahmen der allgemeinen Justizgewährungspflicht sind sie lediglich berechtigt, die Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.
Zweifelsfragen haben sie durch Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden oder, falls dies ergebnislos bleibt, durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Sachverständigengutachten
aufzuklären.

b) Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des „für alle geltenden Gesetzes“ eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Dies setzt zunächst die positive Feststellung voraus, dass der Arbeitnehmer sich der ihm vertraglich auferlegten Loyalitätsanforderungen und der Möglichkeit arbeitsrechtlicher Sanktionierung von Verstößen bewusst war oder hätte bewusst sein müssen. In der Abwägung ist sodann ein Ausgleich der – im Lichte des Selbstbestimmungsrechts verstandenen – kirchlichen Belange und der korporativen Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen vorzunehmen. Die kollidierenden Rechtspositionen sind – nach dem Grundsatz der
praktischen Konkordanz – in möglichst hohem Maße zu verwirklichen. Das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts betrachtet werden, wie umgekehrt die Bedeutung kollidierender Rechte des Arbeitnehmers im Verhältnis zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gewichtet werden muss. Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen, ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen. Das staatliche Arbeitsrecht lässt „absolute Kündigungsgründe“ nicht zu; eine Verabsolutierung von Rechtspositionen ist der staatlichen Rechtsordnung jenseits des Art. 1 Abs. 1 GG fremd.

3. Ob die Abwägung verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann gegebenenfalls Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn diese tragende Elemente des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte des Arbeitnehmers andererseits verkennen.

4. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geben insoweit keinen Anlass zu Modifikationen der Auslegung des Verfassungsrechts. Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK schützt die Kirchen und Religionsgemeinschaften vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen im Hinblick sowohl auf religiöse als auch auf organisatorische Fragen. Sie sind insbesondere befugt, ihren Arbeitnehmern und den die Gemeinschaft repräsentierenden Personen ein gewisses Maß an Loyalität abzuverlangen. Das Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften einerseits und die entgegenstehenden Rechtspositionen der kirchlichen Arbeitnehmer andererseits verlangen – in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben – eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Die konventionsrechtliche Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Angelegenheiten untersagt den staatlichen Stellen hierbei ebenfalls eine eigenständige Bewertung und Gewichtung von
Glaubensinhalten. In bestimmten Ausnahmefällen ist der Staat hiervon entbunden, insbesondere wenn die Loyalitätsobliegenheit oder deren Gewichtung im Kündigungsfall gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt oder wenn sie im Ergebnis zu einer offensichtlichen Verletzung eines anderen Konventionsrechts in seinem Kerngehalt führt.

5. Nach diesen Maßstäben verstößt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, da die bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgenommene Interessenabwägung dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

a) Der persönliche Anwendungsbereich von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin eröffnet. Zwar gehört weder die Beschwerdeführerin noch das von ihr getragene Krankenhaus zur amtskirchlichen Organisation. In Anbetracht der vorrangig religiösen Zielsetzung ihres Handelns und ihrer institutionellen Verbindung zur römisch-katholischen Kirche nimmt sie aber an deren kirchlichem Selbstbestimmungsrecht teil. Die religiöse Dimension tritt im Fall der Beschwerdeführerin nicht in einem Maße gegenüber rein ökonomischen Erwägungen in den Hintergrund, dass dies geeignet wäre, die Prägung durch das glaubensdefinierte Selbstverständnis in Frage zu stellen.

b) Das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe ist durch den Arbeitsvertrag sowie durch den Verweis auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 wirksam und vorhersehbar zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden. Für den Kläger des Ausgangsverfahrens, der als Chefarzt zur Gruppe der leitenden Mitarbeiter zählt, war bereits bei Vertragsschluss erkennbar, dass ein Loyalitätsverstoß durch Eingehung einer zweiten Ehe im Hinblick auf den Bestand seiner nach kirchlichem Recht geschlossenen ersten Ehe im Regelfall die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen würde. Diese Loyalitätsobliegenheit ist auf grundlegende und durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Glaubenssätze der römisch-katholischen Kirche rückführbar. Auch die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen hiergegen aufgrund der Konfession und der leitenden Stellung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Das Bundesarbeitsgericht hat Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestim mungsrechts im Rahmen der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG verkannt. Es hat auf der ersten Stufe eine igenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen und seine eigene Einschätzung der Bedeutung der Loyalitätsobliegenheit und des Gewichtes eines Verstoßes hiergegen an die Stelle der kirchlichen Einschätzung gesetzt, obwohl sie anerkannten kirchlichen Maßstäben entspricht und nicht mit grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch steht.

Dies betrifft zum einen die Wertung des Bundesarbeitsgerichts, dass nach der Grundordnung auch nichtkatholische Personen mit leitenden Aufgaben betraut werden könnten und die römisch-katholische Kirche es daher offenbar nicht als zwingend erforderlich erachte, Führungspositionen an das Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu knüpfen, sowie zum anderen den Schluss auf ein vermindertes Kündigungsinteresse aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mehrfach auch Chefärzte in zweiter Ehe weiterbeschäftigt habe. Auch die Annahme des
Bundesarbeitsgerichts, die Beschwerdeführerin habe bereits seit längerem von dem ehelosen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren zweiten Ehefrau gewusst, was erkennen lasse, dass sie ihre Glaubwürdigkeit nicht durch jeden Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters als erschüttert ansehe, setzt sich über den Maßstab der verfassten Kirche hinweg. Die schärfere Sanktionierung des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe beruht auf dem besonderen sakramentalen Charakter der Ehe und dem für das katholische Glaubensverständnis zentralen Dogma der Unauflöslichkeit des gültig geschlossenen Ehebandes zu Lebzeiten.

6. Das Bundesarbeitsgericht wird bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG die praktische Konkordanz zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und der korporativen Religionsfreiheit auf Seiten
der Beschwerdeführerin und dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie dem Gedanken des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) auf Seiten des Klägers herzustellen haben. Bisher hat das Bundesarbeitsgericht lediglich festgestellt, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zu Gunsten des Klägers und seiner zweiten Ehefrau eröffnet ist. Es hat jedoch nicht dargelegt, weshalb diese Rechtspositionen gerade im vorliegenden Fall in einem Maße tangiert sind, das es rechtfertigen würde, den Interessen des Klägers des Ausgangsverfahrens den Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführerin einzuräumen. Das Bundesarbeitsgericht wird daher – gegebenenfalls nach Ermöglichung ergänzender Tatsachenfeststellungen –
eine eingehende Gesamtwürdigung vorzunehmen haben. Den Gedanken des Vertrauensschutzes wird es insoweit zu berücksichtigen haben, als der Arbeitsvertrag – abweichend von der Grundordnung – keine
unterschiedliche Bewertung eines Verstoßes gegen das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe und eines Verstoßes gegen das Verbot des Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft vorsieht und diese
individualvertragliche Abrede besonderes Vertrauen des Arbeitnehmers ausgelöst haben könnte.

Nr. 103/2014 vom 20. November 2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

„Schnäppchenpreis“ bei einer eBay-Auktion

„Schnäppchenpreis“ bei einer eBay-Auktion

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage der Wirksamkeit eines im Wege einer Internetauktion abgeschlossenen Kaufvertrags befasst, bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Kaufsache besteht.

Der Beklagte bot seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf an und setzte ein Mindestgebot von 1 € fest. Der Kläger bot kurz nach dem Beginn der eBay-Auktion 1 € für den Pkw und setzte dabei eine Preisobergrenze von 555,55 €. Einige Stunden später brach der Beklagte die eBay-Auktion ab. Per E-Mail teilte er dem Kläger, der mit seinem Anfangsgebot Höchstbietender war, mit, er habe außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden, der bereit sei, 4.200 € zu zahlen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung des nach seiner Ansicht wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrags und macht geltend, der Pkw habe einen Wert von 5.250 €. Das Landgericht hat der auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB*) nichtig ist. Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen. Besondere Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Auch die Wertung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte dem Kläger nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten könne, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass das Fahrzeug letztlich zu einem Preis von 1 € verkauft worden ist, beruht auf den freien Entscheidungen des Beklagten, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises ohne Festsetzung eines Mindestgebots eingegangen ist und durch den nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt hat, dass sich das Risiko verwirklicht.

* § 138 BGB Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

VIII ZR 42/14 – Urteil vom 12. November 2014

LG Mühlhausen – Urteil vom 9. April 2013 – 3 O 527/12

OLG Jena – Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 U 399/13

Nr. 164/2014 vom 12.11.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Berichtigte Fassung! Bundesgerichtshof entscheidet über den Verjährungsbeginn für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen

Berichtigte Fassung! Bundesgerichtshof entscheidet über den Verjährungsbeginn für
Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten
Darlehensbearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Entscheidungen erstmals über die Frage des Verjährungsbeginns für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten befunden. Danach begann die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB* i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB** für früher entstandene Rückforderungsansprüche erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen, weil Darlehensnehmern die Erhebung einer entsprechenden Rückforderungsklage nicht vor dem Jahre 2011 zumutbar war.

In den beiden Verfahren begehren die Kläger von den jeweils beklagten Banken die Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten, die die Beklagten im Rahmen von Verbraucherdarlehensverträgen formularmäßig berechnet haben.

Im Verfahren XI ZR 348/13 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Dezember 2006 einen Darlehensvertrag über 7.164,72 € ab. Die Beklagte berechnete eine „Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt“ von 189,20 €. Im Oktober 2008 schlossen die Parteien einen weiteren Darlehensvertrag über 59.526,72 € ab. Die Beklagte berechnete wiederum eine „Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt“, die sich in diesem Falle auf 1.547,10 € belief. Im Juni/Juli 2011 wurde ein dritter Darlehensvertrag über 12.353,04 € geschlossen, wobei die Beklagte eine 3,5 %ige „Bearbeitungsgebühr“ in Höhe von 343 € berechnete. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung dieser Bearbeitungsentgelte. Mit seiner im Dezember 2012 bei Gericht eingereichten Klage hat er ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 2.079,30 € erstrebt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.015,96 € – darin enthalten das Bearbeitungsentgelt für das im Jahre 2011 gewährte Darlehen sowie ein Teil des Bearbeitungsentgelts für das im Jahr 2008 aufgenommene Darlehen – anerkannt; im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung. Wegen des von der Beklagten nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung ist die Klage in den Vorinstanzen, die vom Verjährungseintritt ausgegangen sind, erfolglos geblieben.

Im Verfahren XI ZR 17/14 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Februar 2008 einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 18.500 € ab. Die Beklagte berechnete ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 555 €, das der Kläger mit seiner im Jahre 2013 erhobenen Klage zurückfordert; die Beklagte erhebt ebenfalls die Verjährungseinrede. Die Rückforderungsklage war hier in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Der XI. Zivilsenat hat im Verfahren XI ZR 348/13 auf die Revision des klagenden Kreditnehmers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank zur Zahlung auch des von ihr nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung verurteilt. Im Verfahren XI ZR 17/14 ist die Revision der dort beklagten Bank erfolglos geblieben.

In beiden Rechtsstreiten sind die Berufungsgerichte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die jeweilige Beklagte die streitigen Bearbeitungsentgelte durch Leistung der Klagepartei ohne rechtlichen Grund erlangt hat, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB***. Die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherkreditverträge ist, wie der XI. Zivilsenat mit seinen beiden Urteilen vom 13. Mai 2014 entschieden hat, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**** unwirksam (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 80/2014). Diese Rechtsprechung gilt auch für die hier streitgegenständlichen Entgeltregelungen.

Die Rückzahlungsansprüche beider Kläger sind zudem nicht verjährt; die gegenteilige Annahme der Vorinstanzen in der Sache XI ZR 348/13 ist unzutreffend. Bereicherungsansprüche verjähren nach § 195 BGB grundsätzlich in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist hingegen in der Regel, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann aber die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Angesichts des Umstands, dass Bearbeitungsentgelte in „banküblicher Höhe“ von zuletzt bis zu 2 % von der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebilligt worden waren, war Darlehensnehmern vorliegend die Erhebung einer Rückforderungsklage erst zumutbar, nachdem sich im Laufe des Jahres 2011 eine gefestigte oberlandesgerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hatte, die Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen missbilligte. Seither musste ein rechtskundiger Dritter billigerweise damit rechnen, dass Banken die erfolgreiche Berufung auf die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs künftig versagt werden würde.

Ausgehend hiervon sind derzeit nur solche Rückforderungsansprüche verjährt, die vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als 10 Jahren entstanden sind, sofern innerhalb der absoluten – kenntnisunabhängigen – 10jährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB vom Kreditnehmer keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen worden sind.

Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13

AG Mönchengladbach – Urteil vom 21. März 2013 – 3 C 600/12

LG Mönchengladbach – Urteil vom 4. September 2013 – 2 S 48/13

und

Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 17/14

AG Stuttgart – Urteil vom 24. Juli 2013 – 13 C 2949/13

LG Stuttgart – Urteil vom 18. Dezember 2013 – 13 S 127/13

Karlsruhe, den 28. Oktober 2014

* § 195 BGB

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

** § 199 BGB

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.der Anspruch entstanden ist und

2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) …

(3) …

(3a) …

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) …

*** § 812 BGB

1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. …

(2) …

**** § 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. …

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist …

Nr. 153/2014 vom 28.10.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Werbung mit einer kostenlosen Zweitbrille

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Werbung mit einer kostenlosen Zweitbrille

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Werbung für eine Brille mit dem hervorgehobenen Hinweis auf die kostenlose Abgabe einer Zweitbrille gegen das Heilmittelwerberecht verstoßen kann.

Die Beklagte betreibt ein Optikerunternehmen mit zahlreichen Filialen. Sie verteilte im Herbst 2010 einen Werbeflyer, in dem sie eine Brille mit Premium-Einstärkengläsern zum Preis von 239 € und mit Premium-Gleitsichtgläsern zum Preis von 499 € anbot. Die Beklagte kündigte in der Werbung zudem an, dass der Kunde zusätzlich eine kostenlose Zweitbrille im Wert von 89 € erhält. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat darin einen Verstoß gegen das heilmittelrechtliche Verbot von Werbegaben gesehen und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Angebot einer kostenlosen Zweitbrille stelle eine nach dem Heilmittelwerberecht unzulässige Ankündigung einer Zuwendung dar. Nach dem Gesamtbild der angegriffenen Werbung biete die Beklagte nicht ein aus zwei Brillen bestehendes Warenpaket an, sondern schenke dem Kunden beim Kauf einer Brille mit Premiumgläsern eine Zweitbrille.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die angegriffene Werbung der Beklagten gegen das Verbot von Zuwendungen in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG* verstößt. Der Verbraucher fasst die Werbung als Angebot einer Brille zum angegebenen Preis zuzüglich eines Geschenks in Form einer Zweitbrille auf, weil der Umstand, dass die Zweitbrille kostenlos dazugegeben wird, blickfangmäßig hervorgehoben in der Werbung dargestellt wird. Es besteht die Gefahr, dass sich Verbraucher zum Kauf der angebotenen Sehhilfe allein wegen des Geschenks einer Zweitbrille entschließen und ihre Entscheidung für den Erwerb der von der Beklagten angebotenen Sehhilfe nicht ausschließlich an ihren gesundheitlichen Belangen ausrichten.

Urteil vom 6. November 2014 – I ZR 26/14 – Kostenlose Zweitbrille

LG Stuttgart – Urteil vom 19. April 2012 – 35 O 11/11

KfH, BeckRS 2012, 13789

OLG Stuttgart – Urteil vom 17. Januar 2013 – 2 U 92/12

WRP 2013, 648

Karlsruhe, den 6. November 2014

*§ 7 HWG lautet:

(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

2. die Zuwendungen oder Werbegaben in

b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;

Nr. 160/2014 vom 06.11.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Bundesgerichtshof entscheidet über den Verjährungsbeginn für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen

Bundesgerichtshof entscheidet über den Verjährungsbeginn für Rückforderungsansprüche von
Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten in  
Verbraucherkreditverträgen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Entscheidungen erstmals über die Frage des Verjährungsbeginns für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten befunden. Danach begann die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB* i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB** für früher entstandene Rückforderungsansprüche erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen, weil Darlehensnehmern die Erhebung einer entsprechenden Rückforderungsklage nicht vor dem Jahre 2011 zumutbar war.

In den beiden Verfahren begehren die Kläger von den jeweils beklagten Banken die Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten, die die Beklagten im Rahmen von Verbraucherdarlehensverträgen formularmäßig berechnet haben.

Im Verfahren XI ZR 348/13 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Dezember 2006 einen Darlehensvertrag über 7.164,72 € ab. Die Beklagte berechnete eine „Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt“ von 189,20 €. Im Oktober 2008 schlossen die Parteien einen weiteren Darlehensvertrag über 59.526,72 € ab. Die Beklagte berechnete wiederum eine „Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt“, die sich in diesem Falle auf 1.547,10 € belief. Im Juni/Juli 2011 wurde ein dritter Darlehensvertrag über 12.353,04 € geschlossen, wobei die Beklagte eine 3,5 %ige „Bearbeitungsgebühr“ in Höhe von 343 € berechnete. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung dieser Bearbeitungsentgelte. Mit seiner im Dezember 2012 bei Gericht eingereichten Klage hat er ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 2.079,30 € erstrebt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.015,96 € – darin enthalten das Bearbeitungsentgelt für das im Jahre 2011 gewährte Darlehen sowie ein Teil des Bearbeitungsentgelts für das im Jahr 2008 aufgenommene Darlehen – anerkannt; im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung. Wegen des von der Beklagten nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung ist die Klage in den Vorinstanzen, die vom Verjährungseintritt ausgegangen sind, erfolglos geblieben.

Im Verfahren XI ZR 17/14 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Februar 2008 einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 18.500 € ab. Die Beklagte berechnete ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 555 €, das der Kläger mit seiner im Jahre 2013 erhobenen Klage zurückfordert; die Beklagte erhebt ebenfalls die Verjährungseinrede. Die Rückforderungsklage war hier in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Der XI. Zivilsenat hat im Verfahren XI ZR 348/13 auf die Revision des klagenden Kreditnehmers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank zur Zahlung auch des von ihr nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung verurteilt. Im Verfahren XI ZR 17/14 ist die Revision der dort beklagten Bank erfolglos geblieben.

In beiden Rechtsstreiten sind die Berufungsgerichte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die jeweilige Beklagte die streitigen Bearbeitungsentgelte durch Leistung der Klagepartei ohne rechtlichen Grund erlangt hat, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB***. Die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherkreditverträge ist, wie der XI. Zivilsenat mit seinen beiden Urteilen vom 13. Mai 2014 entschieden hat, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**** unwirksam (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 80/2014). Diese Rechtsprechung gilt auch für die hier streitgegenständlichen Entgeltregelungen.

Die Rückzahlungsansprüche beider Kläger sind zudem nicht verjährt; die gegenteilige Annahme der Vorinstanzen in der Sache XI ZR 348/13 ist unzutreffend. Bereicherungsansprüche verjähren nach § 195 BGB grundsätzlich in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist hingegen in der Regel, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann aber die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Angesichts des Umstands, dass Bearbeitungsentgelte in „banküblicher Höhe“ von zuletzt bis zu 2 % von der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebilligt worden waren, war Darlehensnehmern vorliegend die Erhebung einer Rückforderungsklage erst zumutbar, nachdem sich im Laufe des Jahres 2011 eine gefestigte oberlandesgerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hatte, die Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen missbilligte. Seither musste ein rechtskundiger Dritter billigerweise damit rechnen, dass Banken die erfolgreiche Berufung auf die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs künftig versagt werden würde.

Ausgehend hiervon sind derzeit nur solche Rückforderungsansprüche verjährt, die vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als 10 Jahren entstanden sind, sofern innerhalb der absoluten – kenntnisunabhängigen – 10jährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB vom Kreditnehmer keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen worden sind.

Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13

AG Mönchengladbach – Urteil vom 21. März 2013 – 3 C 600/12

LG Mönchengladbach – Urteil vom 4. September 2013 – 2 S 48/13

und

Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 17/14

AG Stuttgart – Urteil vom 24. Juli 2013 – 13 C 2949/13

LG Stuttgart – Urteil vom 18. Dezember 2013 – 13 S 127/13

Karlsruhe, den 28. Oktober 2014

* § 195 BGB

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

** § 199 BGB

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.der Anspruch entstanden ist und

2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) …

(3) …

(3a) …

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) …

*** § 812 BGB

1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. …

(2) …

**** § 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. …

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist

Nr. 153/2014 vom 28.10.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Zu Instandhaltungs- und Schadensersatzpflichten der Wohnungseigentümer

Zu Instandhaltungs- und Schadensersatzpflichten der Wohnungseigentümer

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer die Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, sofern diese zwingend erforderlich ist und sofort erfolgen muss; unter dieser Voraussetzung ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum. Verzögern die übrigen Wohnungseigentümer die Beschlussfassung über eine solche Maßnahme schuldhaft, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.

In dem zugrunde liegenden Verfahren bestand die Wohnungseigentümergemeinschaft zunächst aus zwei Einheiten im Erd- und Dachgeschoss eines Hauses. Der Rechtsvorgänger der Klägerin baute seine Kellerräume nachträglich aus. Sie bilden seit einer Teilungserklärung aus dem Jahre 1996 eine dritte Sondereigentumseinheit. Sämtliche Wohneinheiten wurden später veräußert. Die Beklagten sind die jetzigen Eigentümer der Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Die Klägerin erwarb die im Keller gelegene Wohnung im Jahr 2002 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung zu einem Kaufpreis von 85.000 €. Diese weist seit dem Jahr 2008 einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind in erster Linie Planungsfehler bei dem Umbau der Keller- in Wohnräume und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.

Das Amtsgericht hat die Beklagten – dem Antrag der Klägerin entsprechend – verurteilt, der anteiligen Aufbringung der Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung durch die Wohnungseigentümer und (zu diesem Zweck) der Bildung einer Sonderumlage von rund 54.500 € zuzustimmen sowie Schadensersatz aufgrund der verzögerten Renovierung der Kellergeschosswohnung zu zahlen. Ferner hat es die Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden der Klägerin festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen; es war der Ansicht, die Kostenbelastung überschreite die „Opfergrenze“ der betagten und finanzschwachen Beklagten, deren Wohneinheiten auch ohne die begehrte Sanierung nutzbar seien. Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben.

Er hat entschieden, dass die Klägerin sowohl die Zustimmung zu der anteiligen Kostentragung als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen kann. Jeder Wohnungseigentümer kann die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Allerdings haben die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen. Anders liegt es aber dann, wenn – wie hier – die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist. Denn infolge der sanierungsbedürftigen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum ist die Wohnung der Klägerin unbewohnbar. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer ist in solchen Fallkonstellationen kein Raum. Dies liefe der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider. Zudem müsste die Klägerin die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl sie es dauerhaft nicht nutzen könnte. Die Wohnungseigentümer müssen anteilig für die Sanierungskosten aufkommen, selbst wenn sie in erster Linie der Kellergeschosswohnung zugutekommt.

Im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche hat der V. Zivilsenat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Entschieden hat er aber, dass eine Ersatzpflicht der Wohnungseigentümer für solche Schäden an dem Sondereigentum in Betracht kommt, die dadurch entstehen, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterbleibt. Eine Haftung kann diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.

Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14

AG Andernach – Urteil vom 28. November 2012 – 60 C 598/10 WEG

LG Koblenz – Urteil vom 16. Dezember 2013 – 2 S 74/12

Nr. 146/2014 vom 17.10.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Bundesgerichtshof entscheidet über Einwendungsdurchgriff bei sogenannter „0%-Finanzierung“

Bundesgerichtshof entscheidet über Einwendungsdurchgriff bei sogenannter „0%-Finanzierung“

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für einen in der ersten Jahreshälfte 2011 geschlossenen Darlehensvertrag entschieden, dass ein Verbraucher, der einen Kauf durch einen verbundenen, unentgeltlichen Darlehensvertrag (sogenannte „0%-Finanzierung“) finanziert, Gewährleistungs-rechte, die ihm wegen Mängeln der gekauften Sache gegen den Verkäufer zustehen, dem Anspruch des finanzierenden Kreditinstituts auf Rückzahlung des Darlehens nicht entgegenhalten kann.

In dem zugrunde liegenden Fall erwarb der Kläger am 4. März 2011 von einem Baumarkt zwei Türen zum Preis von 6.389,15 € einschließlich Montage. Gleichzeitig unterschrieb er in dem Baumarkt, der seine Produkte mit einer „0%-Finanzierung“ bewarb, auf einem dort bereitliegenden Formular der beklagten Bank einen Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrages, den die Beklagte am 21. Juni 2011 annahm. Der Darlehensvertrag enthielt die Anweisung des Klägers an die Beklagte, den von ihm ratenweise zurückzuzahlenden Nettodarlehensbetrag, der – ebenso wie der Preis der Türen – 6.389,15 € betrug, an den Baumarkt auszuzahlen. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Baumarkt zahlte die Beklagte nur 5.973,86 € an diesen.

Nach dem Einbau der Türen rügte der Kläger Mängel. In einem selbständigen Beweisverfahren stellte der gerichtlich bestellte Sachverständige Mängelbeseitigungskosten von 5.415,50 € und eine Wertminderung von 550 € fest. Der Kläger trat deshalb gegenüber dem Baumarkt vom Vertrag zurück und ist der Auffassung, er sei nach den §§ 358, 359 BGB in der bei Abschluss des Vertrages im März/Juni 2011 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) zur Rückzahlung des Darlehens an die Beklagte nicht verpflichtet.

Seine Klage auf Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Rechte mehr zustehen, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe gegen den Kläger gemäß § 488 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des an den Baumarkt ausgezahlten Betrages von 5.973,86 €. Auf seinen Rücktritt vom Vertrag mit dem Baumarkt könne der Kläger sich gegenüber der Beklagten nicht berufen, weil die Voraussetzungen eines Einwendungsdurchgriffs gemäß §§ 358, 359 BGB aF nicht vorlägen. Dieser setze einen Verbraucherdarlehensvertrag, d.h. gemäß § 491 Abs. 1 BGB einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraus. Ein solcher liege nicht vor, weil der Kläger der Beklagten für die Gewährung des Darlehens kein gesondertes Entgelt habe zahlen müssen.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers gegen diese Entscheidung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beklagte gegen den Kläger aufgrund des Darlehensvertrages vom März/Juni 2011 gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des an den Baumarkt ausgezahlten Darlehens hat. Der Kläger kann sich gegenüber der Beklagten nicht auf seinen Rücktritt vom Vertrag mit dem Baumarkt berufen. Ein Einwendungsdurchgriff gemäß §§ 358, 359 BGB aF setzt einen Verbraucherdarlehensvertrag, d.h. gemäß § 491 Abs. 1 BGB einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraus. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewusst an den in § 491 BGB verwandten Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages angepasst worden sind. Auch der Einwendungsdurchgriff gemäß Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66) gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie nicht für zins- und gebührenfreie Kreditverträge.

Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag ist kein entgeltlicher Darlehensvertrag, weil die Beklagte für das dem Kläger eingeräumte Kapitalnutzungsrecht keine Gegenleistung erhält. In dem Vertrag sind weder Zinsen noch Gebühren vereinbart worden. Auch die Differenz zwischen dem Nettodarlehensbetrag von 6.389,15 € und dem von der Beklagten an den Baumarkt ausgezahlten Betrag von 5.973,86 € kann nicht als Gegenleistung des Klägers angesehen werden. In Höhe dieses Differenzbetrages hat die Beklagte den vertraglichen Anspruch des Klägers auf Auszahlung des vollen Nettodarlehensbetrages nicht erfüllt. Da der Kläger gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nur die Rückzahlung des tatsächlich zur Verfügung gestellten Darlehens in Höhe von 5.973,86 € schuldet, erhält die Beklagte nur den an den Baumarkt ausgezahlten Betrag zurück. Sie erhält keinen darüber hinausgehenden Vermögensvorteil, der als Gegenleistung des Klägers für das ihm eingeräumte Kapitalnutzungsrecht angesehen werden könnte.

XI ZR 168/13 – Urteil vom 30. September 2014

LG Landshut – 23 O 2386/12 – Urteil vom 4. Oktober 2012

OLG München – 17 U 4579/12 – Urteil vom 25. März 2013

Karlsruhe, den 30. September 2014

Anhang

Vorschriften in der bei Abschluss des Darlehensvertrages im März/Juni 2011 geltenden Fassung

§ 358 BGB

(1)Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung durch einen Unternehmer gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Vertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.

(3)Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung und ein Verbraucherdarlehensvertrag sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. …

(4)… Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist.

§ 359 BGB

Der Verbraucher kann die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden. …

§ 488 BGB

(1)… Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

§ 491 BGB

(1)Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer (Verbraucherdarlehensvertrag), soweit in den Absätzen 2 oder 3 oder in den §§ 503 bis 505 nichts anderes bestimmt ist.

Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66)

Art. 2 Geltungsbereich

(1)Diese Richtlinie gilt für Kreditverträge.

(2)Diese Richtlinie gilt nicht für:

f) zins- und gebührenfreie Kreditverträge …

Art. 15 Verbundene Kreditverträge

(2)Werden die unter einen verbundenen Kreditvertrag fallenden Waren oder Dienstleistungen nicht oder nur teilweise geliefert oder entsprechen sie nicht dem Warenlieferungs- oder Dienstleistungsvertrag, so kann der Verbraucher Rechte gegen den Kreditgeber geltend machen, wenn er nach den geltenden Rechtsvorschriften oder den Bestimmungen des Warenlieferungs- oder Dienstleistungsvertrags seine Rechte gegen den Lieferanten oder den Dienstleistungserbringer geltend gemacht hat, diese aber nicht durchsetzen konnte. Die Mitgliedsstaaten bestimmen, in welchem Maße und unter welchen Bedingungen diese Rechtsmittel ausgeübt werden können.

Nr. 136/2014 vom 30.09.2014

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More

Kein Nebeneinander von Ausgleichszahlung und Minderung wegen Verspätung des Rückfluges

Kein Nebeneinander von Ausgleichszahlung und Minderung wegen Verspätung des Rückfluges

Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Kreuzfahrt ab und nach Dubai inklusive Hin- und Rückflug. Der Rückflug nach Deutschland erfolgte 25 Stunden später als vorgesehen. Die ausführende Fluggesellschaft zahlte an die Klägerin und ihren Ehemann jeweils 600 Euro wegen erheblicher Verspätung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004)*.

Die Klägerin macht wegen der Flugverspätung gegen die Beklagte aufgrund des deutschen Reisevertragsrechts einen Minderungsanspruch nach § 651d Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)** in Höhe von fünf Prozent des anteiligen Tagesreisepreises ab der fünften Stunde der Verspätung geltend.

Die Parteien streiten darüber, ob nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung*** die Leistungen der Fluggesellschaft auf den geltend gemachten Minderungsanspruch anzurechnen sind. Die Klägerin meint, eine Anrechnung komme nicht in Betracht, weil es sich bei der Minderung des Reisepreises nicht um einen Schadensersatzanspruch im Sinne dieser Bestimmung handele.

Das Amtsgericht hat die Ausgleichsleistungen angerechnet und die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Für die Qualifikation eines Anspruchs als weitergehender Schadensersatzanspruch i.S.v. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung ist entscheidend, ob dem Fluggast mit dem Anspruch eine Kompensation für durch die Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtung zur Luftbeförderung, etwa durch eine große Verspätung, entstandene Beeinträchtigungen gewährt wird. Bei diesen Beeinträchtigungen kann es sich auch um einen immateriellen Schaden wie die dem Fluggast durch die große Verspätung verursachten Unannehmlichkeiten handeln. Da die verlangte Minderung im Streitfall ausschließlich zum Ausgleich derselben, durch den verspäteten Rückflug bedingten Unannehmlichkeiten dienen sollte, für die bereits die Ausgleichsleistungen erbracht waren, war die Anrechnung geboten.

Urteil vom 30. September 2014 – X ZR 126/13

LG Bonn – Urteil vom 26. September 2013 – 8 S 156/13

AG Bonn – Urteil vom 13. Mai 2013 – 113 C 204/12

Karlsruhe, den 30. September 2014

*Art. 7 der Verordnung [Ausgleichsanspruch]

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a)250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger,

b)400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km,

c)600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen …

** § 651d BGB – Minderung

Ist die Reise im Sinne des § 651 c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung. …

*** Art. 12 der Verordnung [Weitergehender Schadensersatz]

Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.

Nr. 138/2014 vom 30.09.2014…

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Read More