Meisterpräsenz bei Hörgeräteakustik-Unternehmen

Meisterpräsenz bei Hörgeräteakustik-Unternehmen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass es weder irreführend ist noch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Meisterpräsenz nach der Handwerksordnung darstellt, wenn der Meister in einem Hörgeräteakustik-Unternehmen nicht ständig anwesend, sondern noch für einen zweiten Betrieb in einer benachbarten Stadt zuständig ist.

Beide Parteien sind auf dem Gebiet der Hörgeräteakustik tätig, bei dem es sich nach der Handwerksordnung um ein zulassungspflichtiges Handwerk handelt. Die Beklagte betreibt ein Geschäft in Dillingen an der Donau, die Klägerin im 26 km entfernten Günzburg, wo auch eine Schwestergesellschaft der Beklagten tätig ist. Die Beklagte beschäftigt in Dillingen einen Hörgeräteakustik-Meister als Betriebsleiter, der gleichzeitig Betriebsleiter im Günzburger Geschäft des Schwesterunternehmens tätig ist. Nach Ansicht der Klägerin ist die Einsetzung eines gemeinsamen Betriebsleiters für die beiden Betriebe wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung und wegen Irreführung der Kundschaft unzulässig. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung und Ersatz von Abmahn- sowie Detekteikosten in Anspruch.

Das Landgericht Augsburg und das Oberlandesgericht München haben die Klage als begründet angesehen, wobei das Oberlandesgericht auf die Irreführung der Verbraucher abgestellt hat und die Frage eines Verstoßes gegen die Handwerksordnung offengelassen hat. Der Bundesgerichtshof hat heute diese Entscheidungen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Eine Irreführung scheidet – so der Bundesgerichtshof – im Streitfall aus: Zwar vermittelt ein Unternehmen, das eine Dienstleistung anbietet, dem Verbraucher grundsätzlich den Eindruck, dass die Dienstleistungen in seinem Geschäftslokal während der Geschäftszeiten für Kunden unmittelbar erbracht werden können. Die Verbraucher stellen aber auch die Art der von ihnen nachgefragten Dienstleistung sowie die Üblichkeiten im Geschäftsverkehr in Rechnung. Sie berücksichtigten daher, dass es in bestimmten Bereichen und insbesondere dort, wo die Erbringung der Dienstleistung in Form einer Beratung oder Behandlung längere Zeit in Anspruch nimmt, häufig üblich ist, dass eine solche Beratung oder Behandlung auch dann, wenn das Geschäftslokal geöffnet ist, nur nach vorheriger Terminvereinbarung erfolgt. Sie werden daher nicht irregeführt, wenn die durch einen Meister vorzunehmenden Untersuchungen im Betrieb der Beklagten in Dillingen nur nach Terminabsprache angeboten werden.

Auch einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Handwerksordnung hat der Bundesgerichtshof verneint. Allerdings ist bei Gesundheitshandwerken, von engen Ausnahmefällen abgesehen, für eine Betriebsstätte ständige Meisterpräsenz zu verlangen. Daraus folgt aber nicht, dass der Betreiber eines Hörgeräteakustik-Unternehmens sein Ladenlokal nicht offenhalten darf, wenn der Meister im Geschäftslokal nicht anwesend ist. In dieser Zeit können etwa Termine mit ins Ladenlokal kommenden Kunden vereinbart, Ersatz- und Verschleißteile wie etwa Batterien für Hörgeräte abgegeben und ähnliche Leistungen erbracht werden, die keine Anwesenheit eines Meisters erfordern. Unzulässig wäre es zwar, wenn ein Meister nur ganz gelegentlich in dem Betrieb zur Verfügung stünde, etwa weil er eine Vielzahl von Betrieben oder weit voneinander entfernt liegende Betriebe zu betreuen hätte. So verhält es sich im Streitfall aber nicht. Nach den getroffenen Feststellungen war der Hörgeräteakustik-Meister jeden Tag zur Hälfte im Betrieb der Beklagten in Dillingen und im Übrigen im Betrieb der Schwestergesellschaft in Günzburg tätig und dort ohne weiteres erreichbar.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 222/11

OLG München – Urteil vom 10. November 2011 – 29 U 1614/11

WRP 2012, 579

LG Augsburg -Urteil vom 31. März 2011 – 1 HKO 3514/09

Karlsruhe, den 17. Juli 2013

Nr. 125/2013 vom 17.07.2013

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der PressestelleDer unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass es weder irreführend ist
noch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Meisterpräsenz nach der
Handwerksordnung darstellt, wenn der Meister in einem
Hörgeräteakustik-Unternehmen nicht ständig anwesend, sondern noch für
einen zweiten Betrieb in einer benachbarten Stadt zuständig ist.

Beide
Parteien sind auf dem Gebiet der Hörgeräteakustik tätig, bei dem es
sich nach der Handwerksordnung um ein zulassungspflichtiges Handwerk
handelt. Die Beklagte betreibt ein Geschäft in Dillingen an der Donau,
die Klägerin im 26 km entfernten Günzburg, wo auch eine
Schwestergesellschaft der Beklagten tätig ist. Die Beklagte beschäftigt
in Dillingen einen Hörgeräteakustik-Meister als Betriebsleiter, der
gleichzeitig Betriebsleiter im Günzburger Geschäft des
Schwesterunternehmens tätig ist. Nach Ansicht der Klägerin ist die
Einsetzung eines gemeinsamen Betriebsleiters für die beiden Betriebe
wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung und wegen Irreführung der
Kundschaft unzulässig. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung und
Ersatz von Abmahn- sowie Detekteikosten in Anspruch.

Das
Landgericht Augsburg und das Oberlandesgericht München haben die Klage
als begründet angesehen, wobei das Oberlandesgericht auf die Irreführung
der Verbraucher abgestellt hat und die Frage eines Verstoßes gegen die
Handwerksordnung offengelassen hat. Der Bundesgerichtshof hat heute
diese Entscheidungen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Eine
Irreführung scheidet – so der Bundesgerichtshof – im Streitfall aus:
Zwar vermittelt ein Unternehmen, das eine Dienstleistung anbietet, dem
Verbraucher grundsätzlich den Eindruck, dass die Dienstleistungen in
seinem Geschäftslokal während der Geschäftszeiten für Kunden unmittelbar
erbracht werden können. Die Verbraucher stellen aber auch die Art der
von ihnen nachgefragten Dienstleistung sowie die Üblichkeiten im
Geschäftsverkehr in Rechnung. Sie berücksichtigten daher, dass es in
bestimmten Bereichen und insbesondere dort, wo die Erbringung der
Dienstleistung in Form einer Beratung oder Behandlung längere Zeit in
Anspruch nimmt, häufig üblich ist, dass eine solche Beratung oder
Behandlung auch dann, wenn das Geschäftslokal geöffnet ist, nur nach
vorheriger Terminvereinbarung erfolgt. Sie werden daher nicht
irregeführt, wenn die durch einen Meister vorzunehmenden Untersuchungen
im Betrieb der Beklagten in Dillingen nur nach Terminabsprache angeboten
werden.

Auch einen Verstoß gegen die Bestimmungen der
Handwerksordnung hat der Bundesgerichtshof verneint. Allerdings ist bei
Gesundheitshandwerken, von engen Ausnahmefällen abgesehen, für eine
Betriebsstätte ständige Meisterpräsenz zu verlangen. Daraus folgt aber
nicht, dass der Betreiber eines Hörgeräteakustik-Unternehmens sein
Ladenlokal nicht offenhalten darf, wenn der Meister im Geschäftslokal
nicht anwesend ist. In dieser Zeit können etwa Termine mit ins
Ladenlokal kommenden Kunden vereinbart, Ersatz- und Verschleißteile wie
etwa Batterien für Hörgeräte abgegeben und ähnliche Leistungen erbracht
werden, die keine Anwesenheit eines Meisters erfordern. Unzulässig wäre
es zwar, wenn ein Meister nur ganz gelegentlich in dem Betrieb zur
Verfügung stünde, etwa weil er eine Vielzahl von Betrieben oder weit
voneinander entfernt liegende Betriebe zu betreuen hätte. So verhält es
sich im Streitfall aber nicht. Nach den getroffenen Feststellungen war
der Hörgeräteakustik-Meister jeden Tag zur Hälfte im Betrieb der
Beklagten in Dillingen und im Übrigen im Betrieb der
Schwestergesellschaft in Günzburg tätig und dort ohne weiteres
erreichbar.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 222/11

OLG München – Urteil vom 10. November 2011 – 29 U 1614/11

WRP 2012, 579

LG Augsburg -Urteil vom 31. März 2011 – 1 HKO 3514/09

Karlsruhe, den 17. Juli 2013

Nr. 125/2013 vom 17.07.2013

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle

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Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat sich erneut mit der urheberrechtlichen
Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen zu befasst.

Die
Klägerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz überwiegend in der
Weise vertreibt, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern
die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Computer
herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist bestimmt, dass
das Nutzungsrecht, das die Klägerin ihren Kunden an den
Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist.

Die Beklagte
handelt mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie
„bereits benutzte“ Lizenzen für Programme der Klägerin an. Dabei verwies
sie auf ein Notartestat, in dem auf eine Bestätigung des ursprünglichen
Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmäßiger Inhaber der
Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis
vollständig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb
einer „gebrauchten“ Lizenz die entsprechende Software von der
Internetseite der Klägerin auf einen Datenträger herunter.

Die
Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die
Erwerber „gebrauchter“ Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden
Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen
Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch
genommen.

Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage
stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof
das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union
einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den
Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Nachdem der Europäische Gerichtshof diese Fragen beantwortet hat, hat
der Bundesgerichtshof nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kunden der Beklagten
greifen durch das Herunterladen der Computerprogramme – so der
Bundesgerichtshof – in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem
Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der
Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot
„gebrauchter“ Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, kann sie auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur
Vervielfältigung der Programme berechtigt sind. Die Kunden der Beklagten
können sich allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1
UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche
Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Nach Art. 5
Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines
Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – nicht der
Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße
Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber
notwendig ist.

Aus der Entscheidung des Europäische Gerichtshof
geht – so der Bundesgerichtshof weiter – hervor, dass der Erwerber einer
„gebrauchten“ Softwarelizenz als „rechtmäßiger Erwerber“ einer
Programmkopie anzusehen ist, der von dem Vervielfältigungsrecht Gebrauch
machen darf, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie nach Art.
4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist und der Weiterverkauf
der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der
Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie
verbunden ist. Dabei setzt ein Weiterverkauf der von der Internetseite
des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie nicht voraus,
dass die Beklagte ihren Kunden einen Datenträger mit einer „erschöpften“
Kopie des Computerprogramms übergibt. Vielmehr kann ein solcher
Weiterverkauf auch dann vorliegen, wenn der Kunde die ihm von der
Beklagten verkaufte Kopie des Computerprogramms von der Internetseite
des Urheberrechtsinhabers auf seinen Computer herunterlädt.

Die
Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers ist nach
der Entscheidung des Europäische Gerichtshof allerdings von einer Reihe
von Voraussetzungen abhängig. Dazu gehört unter anderem, dass der
Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber das Recht eingeräumt hat, diese
Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Ferner kann sich der
Nacherwerber einer Kopie des Computerprogramms nur dann mit Erfolg auf
eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn
der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat. Der
Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen,
damit dieses nach entsprechendem Vortrag der Parteien prüfen kann, ob
diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II

LG München I – Urteil vom 15. März 2007 – 7 O 7061/06,

ZUM 2007, 409 = CR 2007, 356

OLG München – Urteil vom 3. Juli 2008 – 6 U 2759/07,

ZUM 2009, 70 = CR 2008, 551

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 – I ZR 129/08,

GRUR 2011, 418 = WRP 2011, 480 – UsedSoft I

EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012 – C-128/11,

GRUR 2012, 904 = WRP 2012, 1074 – UsedSoft/Oracle

Karlsruhe, den 18. Juli 2013

Nr. 126/2013 vom 18.07.2013
 

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle

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Urheberrechtlichen Schutz einer literarischer Figuren

Urheberrechtlichen Schutz einer literarischer Figuren

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre
Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im
Januar 2010 die Fotografien eines etwa fünfjährigen Mädchens und einer
jungen Frau, die als Pippi Langstrumpf verkleidet waren. Sowohl das
Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden
Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem
Ringelmuster.

Die Fotografien waren bundesweit in
Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten
sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der
Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen
Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000
Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt,
Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen
Schaffen von Astrid Lindgren zu sein, ist der Auffassung, die Beklagte
habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der
literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletzt. Diese genieße für sich
genommen urheberrechtlichen Schutz. Die Beklagte habe sich in den
verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt. Aus diesem Grund stehe
ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von
50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos
geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe der Klägerin der
geltend gemachte Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Die Figur „Pippi
Langstrumpf“ genieße Urheberrechtsschutz als Sprachwerk im Sinne des § 2
Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Sie sei eine einmalige Figur, die sich aufgrund
ihrer Wesenszüge und ihrer äußeren Merkmale von den bis dahin bekannten
Figuren deutlich abhebe. Die von der Beklagten verwendeten Abbildungen
zur Bewerbung der Kostüme seien im Sinne des § 23 UrhG unfreie
Bearbeitungen der Figur „Pippi Langstrumpf“, weil bei der vorzunehmenden
Gesamtbetrachtung die eigenschöpferischen Züge der „Pippi Langstrumpf“
darin deutlich sichtbar seien und es sich nicht um eine neues und
eigenständiges Werke handele. Dies sei Voraussetzung einer freien
Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG. Mit der von Berufungsgericht
zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt,
verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Auf
die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das
Berufungsgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf
Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf hilfsweise
geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Ansprüche, über die das
Berufungsgericht noch nicht befunden hatte, hat der Bundesgerichtshof
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die
von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi
Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven
Charakters ist es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination
von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen
eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies ist bei der Figur
der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fallen aus
dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen
geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer
kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter
eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu
große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz
schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets
fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und
Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt
über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es im Streitfall an
einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkennt der Betrachter, dass
es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi
Langstrumpf handeln soll. Das ändert aber nichts daran, dass diese in
der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für
den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi
Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als
Sprachwerk kommt in Betracht, wenn diese Figur durch eine
unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften,
Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das
Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt,
dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich
genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Figuren in
den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form,
die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi
Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um
Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es
sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber
nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu
begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der
literarischen Figur teil.

Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi Langstrumpf

LG Köln – Urteil vom 10. August 2011 – 28 O 117/11 (ZUM 2011, 871)

OLG Köln – Urteil vom 24. Februar 2012 – 6 U 176/11 (ZUM-RD 2012, 256)

Karlsruhe, den 18. Juli 2013

§ 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1.Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; …

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 23 UrhG

Bearbeitungen
oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des
Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder
verwertet werden. …

§ 24 Abs. 1 UrhG

Ein selbständiges
Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden
ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes
veröffentlicht und verwertet werden.

Nr. 127/2013 vom 18.07.2013

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle

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Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Befristung des Mietvertrages

Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Befristung des Mietvertrages

Ergänzende Vertragsauslegung Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, wie ein Mietvertrag ausgelegt werden kann, der eine unwirksame Befristung enthält.

Der Beklagte mietete von der Klägerin ab dem 1. November 2004 eine Wohnung. Der Vertrag enthält folgende Bestimmung:

„Das Mietverhältnis ist auf Verlangen des Mieters auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Es beginnt am 1. November 2004 und endet am 31. Oktober 2011, wenn es nicht verlängert wird mit 2 x 3-jähriger Verlängerungsoption.“

Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. August 2011. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 kündigte sie fristlos. Ihrer Räumungsklage wurde in den Vorinstanzen aufgrund der Eigenbedarfskündigung stattgegeben.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass für die Dauer der unwirksamen Befristung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht anzunehmen ist.

Im zu entscheidenden Fall war die Befristung des Mietvertrages unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB* nicht vorlagen; gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB galt der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die dadurch im Vertrag entstandene Lücke ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Dabei ist zu berücksichtigen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre. Da das von beiden Parteien verfolgte Ziel einer langfristigen Bindung an den Mietvertrag durch einen beiderseitigen Kündigungsverzicht erreicht werden kann, ist ein solcher Ausschluss der ordentlichen Kündigung für die Dauer der Befristung anzunehmen.

Die während der Dauer des Kündigungsausschlusses ausgesprochene Kündigung der Klägerin vom 28. Februar 2011 ist daher unwirksam. Der Senat hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die weitere (fristlose) Kündigung der Klägerin wirksam ist.

*§ 575 BGB: Zeitmietvertrag

(1) Ein Mietverhältnis kann auf bestimmte Zeit eingegangen werden, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit

1.die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts nutzen will,

2.in zulässiger Weise die Räume beseitigen oder so wesentlich verändern oder instand setzen will, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden, oder

3.die Räume an einen zur Dienstleistung Verpflichteten vermieten will und er dem Mieter den Grund der Befristung bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt. Anderenfalls gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Urteil vom 10. Juli 2013 – VIII ZR 388/12

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 117/2013 vom 10.07.2013unwirksamer Befristung des Mietvertrages

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Bundesgerichtshof entscheidet über Anforderungen an die Dokumentation von Verständigungsgesprächen im Strafverfahren

Bundesgerichtshof entscheidet über Anforderungen an die Dokumentation von Verständigungsgesprächen im Strafverfahren

 Bundesgerichtshof entscheidet über Anforderungen an dieNachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19. März 2013 (2 BvR 2628/10 u.a.) das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren als verfassungskonform bewertet hat, hat der Bundesgerichtshof erstmals unter Beachtung dieser Maßstäbe über die Transparenz und Dokumentation von Gesprächen mit dem Ziel der Verständigung zu entscheiden gehabt. In einem Fall (2 StR 47/13) hat die Revision gerügt, der Vorsitzende der Strafkammer habe zu Unrecht nicht mitgeteilt, ob Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hätten. Die Rüge hat der Bundesgerichtshof als unzulässig angesehen, weil nicht vorgetragen wurde, es hätten überhaupt Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden. Nur in diesem Fall (2 StR 195/12) besteht aber nach dem Gesetz (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) eine Mitteilungspflicht. Dem Vortrag der Revision fehlte daher schon die Behauptung eines Rechtsfehlers.

In einem weiteren Fall 2 StR 195/12) war die Verurteilung des Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) erfolgt. Davor waren Gespräche während einer Verhandlungspause geführt worden, worauf der Vorsitzende in der Hauptverhandlung unter Mitteilung des Ergebnisses hingewiesen hatte. Im Protokoll war nicht vermerkt, dass auch der wesentliche Inhalt der Gespräche bekannt gemacht wurde. Dies beanstandete die Revision mit einer Verfahrensrüge. Darin sah der Bundesgerichtshof keine unzulässige „Protokollrüge“, sondern eine durchgreifende Verfahrensbeanstandung. Das Gesetz (§§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO) will in der Hauptverhandlung Transparenz des Verfahrens herbeiführen, indem dort auch der wesentliche Inhalt der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführt werden, mitzuteilen ist; zur Ermöglichung einer effektiven Kontrolle ist dies auch in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Dessen Schweigen beweist, dass keine Mitteilung erfolgt ist. Dies ist ein Verfahrensfehler, auf dem das anschließende Urteil in der Regel beruht.

Urteile vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13 und 2 StR 195/12

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 118/2013 vom 10.07.2013 Dokumentation von Verständigungsgesprächen im Strafverfahren

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Detektivkosten im Unterhaltsrechtsstreit

Detektivkosten im Unterhaltsrechtsstreit

Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu beantworten, ob Detektivkosten für die Erstellung eines umfassenden Bewegungsprofils des geschiedenen Ehegatten im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreits erstattungsfähig sind.

Der Kläger war rechtskräftig zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verurteilt worden. In jenem Verfahren hatte die Beklagte als Unterhaltsberechtigte geltend gemacht, ihre Beziehung zu einem andern Mann sei beendet. Später hatte sie die Beziehung jedoch fortgesetzt.

Zur Vorbereitung einer Abänderungsklage hatte der Kläger einen Detektiv mit der Feststellung beauftragt, ob die Beklagte eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.v. § 1579 Nr. 2 BGB unterhalte. Der Detektiv überwachte die Fahrten der Beklagten mit einem an ihrem Fahrzeug heimlich angebrachten GPS-Sender.

Nachdem die Beklagte vorprozessual die Voraussetzungen für einen Wegfall ihres Unterhaltsanspruchs verneint hatte, erkannte sie im anschließenden Abänderungsverfahren den Antrag des Klägers auf Wegfall seiner Unterhaltspflicht an. In dem Anerkenntnisurteil wurden ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren stritten die Parteien darum, ob auch die Detektivkosten des Klägers von der Beklagten zu erstatten sind. Das Oberlandesgericht hat dies abgelehnt; der Bundesgerichtshof hat die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Zu den Prozesskosten, die auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung festgesetzt werden können, zählen nicht nur die durch Einleitung und Führung eines Rechtsstreits ausgelösten Kosten, sondern auch solche Kosten, die durch rechtmäßige Maßnahmen zur Vorbereitung eines bevorstehenden Verfahrens ausgelöst werden. Dazu können auch Detektivkosten gehören, wenn sie auf der Grundlage eines konkreten Verdachts zur Durchsetzung des Rechts notwendig waren, sich in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Streitgegenstandes halten und die erstrebte Feststellung nicht einfacher oder billiger zu erzielen war. Das gilt grundsätzlich auch für die Ermittlung von Indiztatsachen für eine vom Unterhaltsberechtigten bestrittene verfestigte Lebensgemeinschaft.

Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits allerdings nur insoweit zu tragen, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Das ist bei Kosten zur Beschaffung von Beweismitteln nur dann der Fall, wenn diese im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Daran fehlt es bei einem durch GPS-Sender erstellten umfassenden personenbezogenen Bewegungsprofil. Denn die Feststellung, Speicherung und Verwendung greift in unzulässiger Weise in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Ein solcher Eingriff kann zwar durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen der Allgemeinheit unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, etwa im Rahmen des § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO, gerechtfertigt sein (vgl. insoweit auch BGH Urteil vom 4. Juni 2013 – 1 StR 32/13 – zur Veröffentlichung bestimmt).

Da im vorliegenden Fall mit einer punktuellen persönlichen Beobachtung ein milderes geeignetes Mittel zum Nachweis einer verfestigten Lebensgemeinschaft zur Verfügung gestanden hätte, stellt sich die durchgeführte Überwachung mittels GPS-Systems aber als unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten dar, der einer Erstattungspflicht der Kosten entgegensteht.

Die maßgebliche Norm lautet wie folgt:

§ 1579 BGB (Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit)

Ein Unterhaltsanspruch ist zur versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1. …

2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,

Beschluss vom 15. Mai 2013 – XII ZB 107/08

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 121/2013 vom 12.07.2013

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Unlautere Werbung: Rotbäckchen-Saft darf nicht mit „lernstark“ beworben werden

Unlautere Werbung: Rotbäckchen-Saft darf nicht mit „lernstark“ beworben werden

Das Landgericht Koblenz hat der Rotbäckchen-Vertriebs GmbH untersagt, ihren gleichnamigen Kindersaft mit den Aussagen „lernstark“ und „mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“ zu bewerben.

Im zugrunde liegenden Streitfall klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen die Verwendung der Aussagen „lernstark“ und „mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“ in der Werbung der Rotbäckchen-Vertriebs GmbH mit der Begründung, es handele sich um unlautere Werbung.

Die europäische Health-Claims-Verordnung stellt an gesundheitsbezogene Werbung für Kinderprodukte strenge Anforderungen. Danach benötigen Unternehmen eine besondere Zulassung für Aussagen, nach denen das Produkt die Gesundheit oder die Entwicklung von Kindern fördert. Damit sollen Verbraucher EU-weit vor irreführenden, wissenschaftlich nicht belegten Angaben geschützt werden.

Der Rotbäckchen-Vertriebs GmbH fehlte jedoch die erforderliche Zulassung für ihre Behauptungen. Die Richter des Landgerichts Koblenz sahen deshalb in der Werbung einen klaren Verstoß gegen die EU-Verordnung. Den Einwand des Unternehmens, der Saft werde auch von älteren Menschen getrunken und sei daher gar kein spezielles Kinderprodukt, ließ das Gericht nicht gelten. Die Gestaltung des Etiketts und die Werbung zielten eindeutig auf Kinder als Zielgruppe. Außerdem hatte die Firma das Produkt in einem Hinweis auf der Flasche selbst als Kindersaft bezeichnet.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 01.03.2013, Az.: 16 O 172/12

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Werbeaktion „Ware geschenkt, wenn es am …. regnet“ ist kein Glücksspiel

Werbeaktion „Ware geschenkt, wenn es am …. regnet“ ist kein Glücksspiel

Eine Werbeaktion mit dem Slogan „Sie bekommen die Ware geschenkt, wenn es am … regnet“ ist kein erlaubnispflichtiges Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages, da die Kunden, die an einer solchen Werbeaktion teilnehmen, mit dem Kaufpreis für ihre Ware nicht auch ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance zahlen. Dies entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

Im zugrunde liegenden Streitfall sollten Kunden eines Möbelhauses an einer Werbeaktion teilnehmen können, die im Aktionszeitraum Waren zum Preis von mindestens 100 Euro kaufen. Es sollte jedem Teilnehmer der Kaufpreis erstattet werden, wenn es an einem festgelegten Stichtag ungefähr drei Wochen nach der Teilnahme zwischen 12 und 13 Uhr am Flughafen Stuttgart amtlich festgestellt mindestens 3 ml/qm regnet.

Das Möbelhaus stellte beim Regierungspräsidium Karlsruhe den Antrag festzustellen, dass es sich nicht um Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages handelt, was jedoch abgelehnt wurde. Der gegen den Ablehnungsbescheid erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart statt. Es stellte fest, dass die Werbeaktion kein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags darstellt.

Diese Rechtsauffassung hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt. Ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages setze voraus, dass im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Danach seien Wetten gegen Entgelt auf den ungewissen Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses zwar Glücksspiele. Die Klägerin verlange aber kein Entgelt für den Erwerb der Gewinnchance. Ihre Kunden entrichteten den Kaufpreis nur für die zu erwerbende Ware, nicht aber auch für die Teilnahme am Gewinnspiel. Der Kaufvertrag stehe im Vordergrund. Die Teilnahme an der Werbeaktion sei nur gegebenenfalls Folge des Einkaufs, wenn sich die Wetterprognose bestätigen sollte. Die Kunden seien an der Gewinnaktion nur beteiligt, wenn sie ihren Gewinn „aktivierten“, indem sie ihn geltend machten. Auf ihre Motive für den Erwerb der Waren komme es insoweit nicht an. Die Klägerin habe zudem unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Preise im Aktionszeitraum unverändert blieben. Die Gewinnchance werde somit nicht – wie vom Beklagten befürchtet – in den Warenwert eingepreist.

Aus dem Begriff des „Entgelts“ im Glücksspielstaatsvertrag folge entgegen der Ansicht des Beklagten nichts Anderes. Dessen Glücksspielbegriff sei mit demjenigen des Strafrechts (§ 284 Strafgesetzbuch) deckungsgleich. Danach müsse die Gewinnchance im Sinne eines „Einsatzes“ gerade aus dem Entgelt selbst erwachsen. Daran fehle es hier ebenfalls. Denn der Kunde leiste das Entgelt für die Möbel und nicht unmittelbar für die Gewinnchance. Die Vermutung des Beklagten, die Ware sei im Blick auf die Werbeaktion teurer, sei durch nichts belegt.

Schließlich werde die Gewinnchance auch nicht, wie es der Glücksspielstaatsvertrag voraussetze, im Rahmen eines Spieles, sondern im Rahmen eines Kaufvertrages erworben. Damit sei schon der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages nicht eröffnet. Andernfalls würde der Beklagte nicht mehr ordnungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Glücksspielaufsicht, sondern unter wettbewerbs- und verbraucherschutzrechtlichen Vorgaben tätig.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 09.04.2013, Az.: 6 S 892/12

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Konkurrenztätigkeit kann fristlose Kündigung zur Folge haben

Konkurrenztätigkeit kann fristlose Kündigung zur Folge haben

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, kann auch ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden.

Das das Hessische Landesarbeitsgericht gab einem Arbeitgeber recht, der auf Grund der Konkurrenztätigkeit seines Arbeitnehmers diesem gegenüber eine fristlose Kündigung ausgesprochen hat. Gegen diese Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war seit August 2000 bei seinem Arbeitgeber, der einen Betrieb für Abflussrohrsanierungen führt, als Rohrleitungsmonteur beschäftigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war er im August 2007 zunächst im Auftrag der Beklagten bei einer Kundin, um die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera zu inspizieren. Einige Tage später  verlegte er bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Dafür verlangte er 900 Euro in bar, welche die Kundin auch bezahlte. Eine Quittung stellte der Arbeitnehmer nicht aus, den Geldbetrag behielt für sich.

Im Jahr 2011 reklamierte die Kundin beim Arbeitgeber mangelhafte Werkleistungen und forderte gegenüber der Beklagten Nachbesserung. Hierdurch wurde die Konkurrenztätigkeit des Klägers bekannt, woraufhin die Beklagte die fristlose Kündigung ausgesprochen hat.

Durch diese Konkurrenztätigkeit hat der Arbeitnehmer nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt. Ein Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen.

Die dem Arbeitnehmer im Juli 2011 ausgesprochene fristlose Kündigung war deshalb nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis mit deren Zugang.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28.01.2013, Az.: 16 Sa 593/12

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Ein Vermittler von Flugreisen darf beim Online-Verkauf von Flugscheinen nicht als Voreinstellung eine Reiserücktrittsversicherung vorsehen

Ein Vermittler von Flugreisen darf beim Online-Verkauf von Flugscheinen nicht als Voreinstellung eine Reiserücktrittsversicherung vorsehen

Als „fakultative Zusatzleistung“ kann eine Reiserücktrittsversicherung nur in der Weise angeboten werden, dass eine ausdrückliche Annahme erforderlich ist („Opt-in“)

Die ebookers.com Deutschland vertreibt über ein von ihr betriebenes Online-Reiseportal Flugreisen. Hat der Kunde während des Buchungsvorgangs einen bestimmten Flug ausgewählt, erscheint auf der Website oben rechts unter der Überschrift „Ihre aktuellen Reisekosten“ eine Kostenaufstellung. Diese Aufstellung enthält neben den Kosten für den Flug den Betrag für „Steuern und Gebühren“ und – voreingestellt – die Kosten für eine „Versicherung Rücktrittskostenschutz“. Die Summe dieser Kosten ergibt den „Gesamtreisepreis“. Am Ende der Website wird der Kunde darauf hingewiesen, wie er zu verfahren hat, wenn er die – voreingestellt – eingeschlossene Versicherung nicht abschließen möchte: Er muss dann sein Einverständnis ausdrücklich verweigern („Opt-out“). Von dem vom Kunden nach der Buchung gezahlten Preis entrichtet ebookers.com die Kosten des Flugscheins an das Luftverkehrsunternehmen, leitet die Steuern und Gebühren weiter und führt den Beitrag für die Reiserücktrittsversicherung an die Versicherungsgesellschaft ab, die rechtlich und wirtschaftlich nicht zu dem Luftverkehrsunternehmen gehört.

Eine deutsche Verbraucherschutzvereinigung klagte gegen ebookers.com vor deutschen Gerichten auf Abstellung der Praxis, in den Flugpreis als Voreinstellung eine Reiserücktrittsversicherung einzuschließen. Vor diesem Hintergrund hat das Oberlandesgericht Köln dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Kosten für solche Leistungen Dritter, die der Fluganbieter von dem Kunden in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis erhebt, „fakultative Zusatzkosten“ darstellen, so dass die fraglichen Leistungen auf „Opt-in“-Basis angeboten werden müssen.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass das Unionsrecht (Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 ABl. L 293, S. 3,) im Hinblick auf die Preise von Luftverkehrsdiensten Information und Transparenz gewährleisten soll und somit zum Schutz des Kunden beiträgt. „Fakultative Zusatzkosten“ betreffen Dienste, die den Luftverkehrsdienst als solchen ergänzen. Sie sind für die Beförderung des Fluggasts oder der Luftfracht weder obligatorisch noch unerlässlich, so dass der Kunde die Wahl hat, sie anzunehmen oder abzulehnen. Gerade weil der Kunde diese Wahl hat, schreibt das Unionsrecht vor, dass solche Zusatzkosten auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden müssen und dass ihre Annahme durch den Kunden auf „Opt-in“-Basis erfolgen muss. Dieses Erfordernis soll verhindern, dass der Kunde dazu verleitet wird, für den Flug selbst nicht unerlässliche Zusatzleistungen abzunehmen, sofern er sich nicht ausdrücklich dafür entscheidet, sie abzunehmen und die Zusatzkosten dafür zu zahlen.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass es mit dem Zweck, den Kunden zu schützen, nicht vereinbar wäre, wenn dieser Schutz davon abhinge, ob die fakultative Zusatzleistung von einem Luftfahrtunternehmen oder von einem anderen, rechtlich von ihm verschiedenen Unternehmen erbracht wird. Dagegen kommt es darauf an, dass die fakultative Zusatzleistung und die Zusatzkosten dafür im Zusammenhang mit dem Flug selbst im Rahmen des zu dessen Buchung vorgesehenen Vorgangs angeboten werden.

Der Gerichtshof antwortet, dass der Begriff „fakultative Zusatzkosten“ im Zusammenhang mit Flugreisen stehende Kosten von Leistungen – wie einer Reiserücktrittsversicherung – erfasst, die von einer anderen Person als dem Luftverkehrsunternehmen erbracht und von dem Vermittler dieser Reise in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis von dem Kunden erhoben werden.

EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012, Az. C-112/11

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