Klage abgewiesen: Patienten müssen rezeptfreie Medikamente selbst zahlen

Klage abgewiesen: Patienten müssen rezeptfreie Medikamente selbst zahlen

Patienten, die rezeptfreie Medikamente vom Arzt verordnet bekommen,
müssen diese weiterhin selbst zahlen. Das hat das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden – und damit die Klage
eines chronisch Kranken abgewiesen.

Krankenkassen sind nicht dazu
verpflichtet, die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente
zu übernehmen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Belastung
der Versicherten stehe in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel,
die Kosten im Gesundheitswesen zu dämmen. Die gesetzlichen Krankenkassen
müssten nicht alles bezahlen, was „an Mitteln zur Erhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist“.

Damit hatte die
Beschwerde eines gesetzlich Versicherten keinen Erfolg. Der Kläger
leidet an einer chronischen Atemwegserkrankung, die sein Hausarzt
dauerhaft mit einem schleimlösenden Medikament behandelt. Das kostet im
Monat 28,80 Euro. Die Krankenkasse lehnte eine Übernahme der Kosten
trotz ärztlicher Verschreibung ab.

Der Ausschluss
verschreibungsfreier Medikamente aus dem Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherungen sei mit dem Grundgesetz vereinbar,
entschied das BVG. Zumutbare Eigenleistungen der Versicherten könnten
verlangt werden. Zudem sei gewährleistet, dass für Medikamente, die als
Therapiestandard bei schwerwiegender Erkrankung anerkannt sind, die
Krankenkasse ausnahmsweise die Kosten übernimmt.

Schließlich habe
der Gesetzgeber Regelungen getroffen, um die Belastung von chronisch
Kranken durch die Kosten für Medikamente in Grenzen zu halten. Auch ein
besonderer Härtefall liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe nichts
dazu vorgetragen, dass es in seinem Fall „sozial nicht vertretbar ist,
eine sich für ihn ergebende Belastung von 28,80 Euro monatlich zu
tragen“, befand das Gericht.

BVerfG, Beschluss vom 12.12.2012, 1 BvR 69/09

Read More

Keine Entschädigung für die Dauer des Gerichtsverfahrens nach zu Unrecht bezogener Arbeitslosenhilfe

Keine Entschädigung für die Dauer des Gerichtsverfahrens nach zu Unrecht bezogener Arbeitslosenhilfe

Ein Arbeitsloser, welcher der Arbeitsagentur ein verstecktes Vermögen verschweigt, erhält keine Entschädigung für die Dauer der Gerichtsverfahren wegen der Erstattung der Arbeitslosenhilfe. Dies entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg.

In dem zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger nach seiner Behauptung, er sei bedürftig, von der Arbeitsagentur Arbeitslosenhilfe erhalten. 1998 stellte die Steuerfahndung ein Guthaben von ca. 187.000 DM des Klägers bei einer Bank in Luxemburg fest, woraufhin die Arbeitsagentur rückwirkend die Erstattung von Arbeitslosenhilfe ab Juli 1994 verlangte. Mit seiner gegen die Erstattungsforderung gerichteten Klage unterlag der Kläger in allen Gerichtsinstanzen. Seine Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.

Der Kläger verlangte von der Arbeitsagentur die erneute Überprüfung der Erstattungsbescheide. Die deswegen 2008 erhobenen Klagen wurden noch im Dezember 2008 abgewiesen, die Berufung hiergegen im Dezember 2010 zurückgewiesen. Anschließend hat der Kläger das Land Baden-Württemberg im Januar 2012 wegen überlanger Verfahrensdauer auf Schadenersatz nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz verklagt. Durch die Dauer der Verfahren seien ihm schwere Nachteile zugefügt worden.

Das LSG Baden-Württemberg entschied, dass die 2008 vor dem Sozialgericht angestrengten Klageverfahren mit je rund sieben Monaten Dauer keineswegs unangemessen lang gedauert hätten. Bei der Dauer des Berufungsverfahrens von ca. 21 Monaten sei zu berücksichtigen, dass der Kläger durch umfangreiche und schwer verständliche Schriftsätze das Verfahren aufgebläht und allein dadurch einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht habe. Er habe indes lediglich dieselben Argumente vorgetragen, die bereits in den früheren Verfahren – bis hinauf zum Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht – vorgebracht und dort bereits als unbeachtlich beurteilt worden seien. Die Gesamtverfahrensdauer habe für den Kläger tatsächlich den Vorteil gehabt, dass für die Dauer der Verfahren die Erstattung der zu Unrecht bezogenen Arbeitslosenhilfe aufgeschoben worden sei. Im Übrigen existiere keine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern dürfe. Hierfür komme es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens, sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, an.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.11.2012, Az. L 2 SF 436/12 EK

Read More

Auch Großeltern können für den Unterhalt der Enkel herangezogen werden

Zur Begründung einer Ersatzhaftung der Großeltern reicht es jedoch nicht aus, dass nur der barunterhaltspflichtige Elternteil leistungsunfähig ist. Vielmehr muss hinzukommen, dass dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall haben die minderjährigen Kinder, die aus der Ehe der F und des X hervorgegangen sind ihren Großvater zur Leistung von laufendem Kindesunterhalt verklagt. Die Eltern hatten sich getrennt. Die Antragsteller leben im Haushalt der Kindesmutter, die nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig ist. Der Antragsgegner ist der Vater des X. Letzterer ist nur eingeschränkt leistungsfähig und hat sich durch Jugendamtsurkunden zur Zahlung von Kindesunterhalt ab dem 1.3.2012 in Höhe von monatlich 83,00 € (G), 102,00 € (K) und 101,00 € (N) verpflichtet.

Der Großvater ist dem Antrag entgegen getreten. Er hat sich unter anderem darauf berufen, dass die Ersatzhaftung der Großeltern nur dann eingreifen kann, wenn beide Eltern im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit den Mindestunterhalt der Kinder nicht sicherstellen könnten. Diese gesteigerte Erwerbsobliegenheit treffe auch den Elternteil, in dessen Haushalt die minderjährigen Kinder leben würden.

Die Kindesmutter sei im  Falle der fehlenden oder nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Kindesvaters verpflichtet, den Unterhalt der Kinder durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sicher zu stellen, bevor die Kinder die Großeltern in Anspruch nehmen könnten. Inwieweit die Kindesmutter durch eine Erwerbstätigkeit Einkommen erzielen könne, sei nicht dargelegt.

Der Antragsgegner als Großvater der unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kinder haftet zwar gemäß § 1606 Abs. 2 BGB für den Unterhalt der Kinder, jedoch nur nachrangig nach den Eltern des Kindes. Dies bedeutet, dass seine Unterhaltspflicht erst dann in Betracht kommt, wenn beide Elternteile im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB leistungsunfähig sind. Dabei gilt im Verhältnis der vorrangig haftenden Eltern zu den nachrangig haftenden Großeltern – anders als im Verhältnis der Eltern untereinander – die Regelung des § 1603 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht. Das hat zur Folge, dass auch der betreuende Elternteil gegenüber den Großeltern für den Barunterhalt leistungsfähig sein kann. Zur Begründung einer Ersatzhaftung der Großeltern reicht es also nicht, dass (nur) der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Vielmehr muss hinzu kommen, dass dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus Gründen des Kindeswohls nicht zumutbar ist (vgl. Wendl/Dose-Wönne, Unterhaltsrecht, 8. Auflage, 2 Rn.975; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745; OLG Jena FamRZ 2006, 569 und MDR 2009, 755).

An einer entsprechenden Darlegung fehlt es hier, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat. Zwar hat die Kindesmutter drei minderjährige Kinder zu betreuen. Auch ihr jüngstes Kind – der Antragsteller zu 1) – ist aber bereits 6 Jahre alt, so dass die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung der Kinder durch die Kinder nicht zwingend erkennbar ist und ihr die Aufnahme einer über den Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinausgehenden, mindestens halbschichtigen Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Barunterhalts der Antragsteller möglich ist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.10.2012 II-6 WF 232/12

Read More

Keine Mietminderung bei plötzlichem Verkehrslärm

Vorübergehend erhöhter aber üblicher Verkehrslärm stellt für eine Wohnung innerhalb eines Stadtzentrums keinen Mietmangel dar.

Im vorliegenden Fall sind die Beklagten seit dem Jahr 2004 Mieter einer Wohnung der Klägerin in der Schlossallee in Berlin. Von Juni 2009 bis November 2010 wurde der stadteinwärts fahrende Verkehr wegen Bauarbeiten über die Schlossallee umgeleitet mit der Folge, dass dort rund 20 Mal so viele Autos vorbeifuhren wie vorher und der Lärmpegel tagsüber von rund 46 auf 62 Dezibel stieg. Die Beklagten minderten wegen der hierdurch gestiegenen Lärmbelastung die Miete ab Oktober 2009 monatlich um 10%.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in Höhe von insgesamt 1.386,19 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von 553,22 € nebst Zinsen ermäßigt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Dem widersprach der BGH und gab der Klage der Vermieter auf Nachzahlung der Miete statt.

Der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat stellte dabei strenge Voraussetzungen für Mietminderungen wegen Lärms auf. Ein Mangel liege erst vor, wenn die nach dem Mietspiegel in Innenstadtlagen üblichen Werte überschritten werden. Es reiche nicht aus, dass der Mieter „bei Vertragsabschluss die verhältnismäßig geringe Belastung durch Verkehrslärm als vorteilhaft wahrnimmt und er sich (möglicherweise) auch deswegen zur Anmietung der Wohnung entscheidet“.
Dies wäre nur anders zu beurteilen, wenn Mieter und Vermieter bei Vertragsschluss eine ruhige Wohnung vereinbart hätten. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter erkennt oder erkennen musste, dass der Mieter die vorhandene geringe Lärmbelastung als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ansieht, und dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 152/12

Read More

Unfallschaden verschwiegen – Kunde muss Auto zurücknehmen

Unfallschaden verschwiegen – Kunde muss Auto zurücknehmen

Der Käufer eines Neuwagens, der bei einem Händler einen Gebrauchtwagen als unfallfrei in Zahlung gibt, kann sich später nicht auf einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss berufen, wenn sich herausstellt, dass der Wagen tatsächlich nicht unfallfrei ist. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs hervor.

Im verhandelten Fall hatte der Kunde seinen Audi A6 in Zahlung gegeben, um einen VW Passat zu kaufen. Dabei hatte er einen Streifschaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand des Fahrzeugs befand, verschwiegen. Laut eingeholtem Sachverständigengutachten belief sich der Schaden auf knapp € 3.000, der nicht fachgerecht repariert wurde.

Im Kaufvertrag hatte er unter der vorgedruckten Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen. Der Händler verkaufte das in Zahlung genommene Fahrzeug später mit dem Zusatz „laut Vorbesitzer unfallfrei“. Kurze Zeit später verlangte dieser Käufer jedoch die Rückabwicklung des Geschäfts, unter anderem wegen des verschwiegenen Unfallschadens.  Der Händler nahm daraufhin den Vorbesitzer in Regress. Zu Recht, wie der BGH entschied. Der Vorbesitzer muss dem Händler nun den höheren Verkaufspreis erstatten. Im Gegenzug bekommt er sein altes Auto zurück.

Wer bei einem Autokauf seinen Gebrauchtwagen als „unfallfrei“ in Zahlung gibt, haftet dafür, wenn später doch Schäden am Fahrzeug entdeckt werden. Wenn die „Unfallfreiheit“ vertraglich zugesichert wird, dann ist sie auch bindend.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 117/12

Read More

Abfindung kann bei der Entlassung kurz vor der Rente gekürzt werden

Abfindung kann bei der Entlassung kurz vor der Rente gekürzt werden

Wenn ein Mitarbeiter kurz vor dem frühestmöglichen Renteneintritt
gekündigt wird, kann das Einfluss auf seine Abfindung haben. Für
behinderte Arbeitnehmer gelten hier aber spezielle Regeln, stellt der
Europäische Gerichtshof (EuGH) klar.

Grundsätzlich gilt, dass die
Abfindungshöhe nach einem Sozialplan vom Alter, der
Betriebszugehörigkeit und dem Gehalt abhängig gemacht werden kann.

Eine
Abfindung darf gekürzt werden, wenn ein entlassener Arbeitnehmer bald
in Rente geht. Dies ist keine nach EU-Recht verbotene
Altersdiskriminierung. Wenn aber ein behinderter Arbeitnehmer vorzeitig
eine Rente geht, können auf Grund seiner Behinderung Besonderheiten
gelten.

Der EuGH nahm zu einer Klage Stellung, die ein
schwerbehinderter Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht München eingereicht
hatte. Der inzwischen 62-jährige Mann arbeitete als Marketing-Manager.
In einem ausgehandelten Sozialplan hatten sich Betriebsrat und
Arbeitgeber darauf geeinigt, dass die Abfindung auf der Grundlage des
frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wird.

Das Arbeitsgericht
München hat den EuGH u.a. wegen der Frage angerufen, ob bei einem
Schwerbehinderten der auf der Behinderung beruhende, frühest mögliche
Renteneintrittstermin heranzuziehen ist oder aber der Zeitpunkt
maßgeblich ist, zu der ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne Behinderung
verrentet worden wäre.

Die Richter befanden, dass an der
altersbedingten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer nichts auszusetzen
sei, weil das Geld begrenzt ist und hiervon vor allem jüngere
Arbeitnehmer profitieren sollen, die eine neue Arbeit suchten.

Es
sei jedoch nicht erlaubt, die Berechnung der Abfindung auf die
Möglichkeit einer vorzeitigen Verrentung wegen einer Behinderung
auszurichten. Schwerbehinderte hätten besondere Bedürfnisse, die
finanziellen Aufwendungen stiegen oft mit fortschreitendem Alter. Die
Abfindung auf den früheren Rentenbeginn wegen der Behinderung zu
berechnen sei eine „übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen
schwerbehinderter Arbeitnehmer“.

Insofern müsse dem Kläger die
Abfindungssumme ausbezahlt werden, die einem Arbeitnehmer vergleichbaren
Alters ohne Behinderung ausbezahlt worden wäre.

EUGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, Az. C‑152/11

Read More